Auswirkungen von ESG-Kriterien auf M&A-Transaktionen

ESG ist im Transaktionsmarkt noch ein relativ junges Phänomen. Dennoch ist das Buzzword in aller Munde: Umweltschutz und Nachhaltigkeit (Environment), soziale Verantwortung, Diversität und Gesundheitsschutz (Social) und eine gute Unternehmensführung (Governance) sind Top-Themen in M&A-Deals. Die Praxis steht vor der Frage, wie die ESG-Kriterien bei M&A-Transaktionen konkret berücksichtigt werden können und müssen. Dieser Beitrag betrachtet ausgewählte Arbeitspakete eines M&A-Prozesses und zeigt auf, wie eine ESG-Berücksichtigung zu inhaltlichen, methodischen und strukturellen Anpassungen der bekannten Prozesse führen kann.

Einleitung

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung hat in diesen Tagen auch in der Unternehmenswelt als Leitbild einer neuen Unternehmenskultur Einzug gefunden. Vor diesem Hintergrund finden ESG-Parameter auch im Zusammenhang mit der Durchführung von M&A-Transaktionen vermehrt Berücksichtigung. Branchenunabhängig können wir beobachten, dass ESG-Parameter sukzessive häufige Treiber von Investitionsentscheidungen sind. Im Dezember 2021 enthielten mindestens 62 Deal-Ankündigungen von europäischen Zielgesellschaften Kommentare, die darauf hinwiesen, dass Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen ausschlaggebende Kriterien für die jeweiligen Transaktionen waren, was einem prozentualen Anstieg von 37,8% gegenüber dem Vormonat November entspricht. Zudem war der Industriesektor im Dezember 2021 mit rund 42% der in Europa abgeschlossenen Transaktionen weiterhin der aktivste Sektor in Bezug auf ESG-bezogene Transaktionen, während der Konsumgütersektor an zweiter Stelle lag.1 So haben sich bspw. der schwedische PE-Investor Altor und die SMS Group, ein deutscher Zulieferer der metallurgischen Industrie in Familienbesitz, mit 50% an KAEFER Isoliertechnik beteiligt, um die Dienstleistungen in ihren Branchen erweitern zu können, die von nachhaltigen Entwicklungen wie der Dekarbonisierung profitieren, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung2. Auch hat OneTrust, eine in Atlanta, Georgia, ansässige Gesellschaft für Sicherheitstechnologien, Planetly übernommen, ein deutsches Klima-Tech-Unternehmen, das digitale Tools entwickelt, die Unternehmen bei der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen helfen. „Verbraucher, Mitarbeiter, Investoren und Aufsichtsbehörden fordern von Unternehmen Maßnahmen gegen den Klimawandel. Wir wollen Tausende von Unternehmen in die Lage versetzen, sich dieser Bewegung anzuschließen, Verantwortlichkeit zu zeigen und die Zukunft zu beeinflussen, indem sie wissenschaftlich fundierte Klimaverpflichtungen einhalten. Planetly hilft uns, dies zu ermöglichen. Unsere Kunden können starke ESG-Programme zusammen mit Datenschutz, Risiko und Ethik integrieren, um vertrauenswürdige Unternehmen aufzubauen“, kommentierte OneTrust CEO Kabir Barday dazu in der Pressemitteilung3.

Vor dem Hintergrund dieses massiven Bedeutungszuwachses gilt es umso mehr frühzeitig ESG-bezogene Chancen und Risiken zu identifizieren und einen Blick darauf zu werfen, wie sie im Transaktionsprozess Einfluss finden können.

Gesetzliche Grundlagen

Eine Schwachstelle war bislang, dass es nur einen fragmentierten und inkohärenten Rechtsrahmen auf EU- und nationaler Ebene in Bezug auf die Einhaltung von ESG-Kriterien in M&A Transaktionen gab, und mangels einheitlicher gesetzlicher Normierung konkrete Anhaltspunkte für die Auslegung der Parameter Environment, Social und Governance bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Maßnahmen fehlten.

Am 8. März 2018 fand das Thema Nachhaltigkeit erstmals politische Ausprägung in Form des von der EU-Kommission beschlossenen „EU-Aktionsplans“ (EU Action Plan on Sustainable Finance)4, der als eine Art „Appel-Papier“ Maßnahmen für die EU-Mitgliedstaaten  zur Erreichung der Klimaneutralität der EU (sog. „Green Deal“) und einem nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystem vorsieht. Im Rahmen der Sustainable Finance-Strategie hat die EU-Kommission zudem am 21. April 2021 den Richtlinienentwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (sog. „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD)) veröffentlicht, der u.a. mit einer Ausweitung der Berichtspflichten im Lagebericht einhergeht.Für Geschäftsjahre ab 1. Januar 2023 sollen alle großen Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personengesellschaften u.a. gem. §§ 289b – 289e HGB verpflichtet werden, einen sog. Sustainability Report (bisher: „nichtfinanzielle (Konzern-)Erklärung“) als Teil des Lageberichts zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen für Geschäftsjahre ab 1. Januar 2026 alle kleinen und mittelgroßen kapitalmarktorientierten Gesellschaften berichtspflichtig werden.

Mit der Taxonomieverordnung (Taxonomie-VO)6 und der Offenlegungsverordnung (Offenlegungs-VO)7 sind zudem erste Bestandteile des „soft law“ EU-Aktionsplans in unmittelbar anwendbare Rechtsakte umgesetzt worden. Die Taxonomie-VO schafft eine erste rechtlich bindende regulatorische Grundlage mit der Einführung eines Klassifizierungssystems für (ökologisch) nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, die eine Beurteilung erlaubt, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt.8Die Offenlegungs-VO legt bindend nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater fest.9

Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag zudem das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)10 verabschiedet. Das LkSG verpflichtet ab 1. Januar 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 (ab  1. Januar 2024 bereits 1.000) Arbeitnehmern zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten auf der gesamten Lieferkette.11

ESG Due Diligence

ESG-Aspekte werden zukünftig noch wichtigere Bestandteile von Due Diligence Prüfungen neben den “traditionellen” Aspekten der finanziellen, operativen, technischen, rechtlichen, steuerlichen und kommerziellen Due Diligence werden, wobei sich hier Standards für die Durchführung einer „ESG Due Diligence“ noch nicht herausgebildet haben. Bestehende Nachhaltigkeitsstandards und -ratings sind meist eher allgemein gehalten und noch nicht aussagekräftig genug, da jede Nachhaltigkeitsratingagentur ihr eigenes Bewertungssystem hat.12  Eine Due Diligence sollte in jedem Fall stets fallspezifisch erfolgen, da die gleichen ESG-Kriterien in unterschiedlichem Maß und Gewichtung Einfluss auf die unterschiedlichen Branchen haben. So wird der Parameter Umwelt im produzierenden Gewerbe z.B. eine größere Rolle spielen als bei einer Investmentgesellschaft. Je nach Branche und Tätigkeitsschwerpunkt der zu analysierenden Zielgesellschaft müssen daher unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, woraus zugleich ein Bedarf unterschiedlicher Expertisen entsteht. Standen zudem bisher die Umweltaspekte unter den Nachhaltigkeitsthemen bei der rechtlichen Due Diligence im Vordergrund, wird sich der Fokus zukünftig zunehmend auf das „S“ und das „G“ der ESG-Kriterien richten. Der Prüfungsumfang der involvierten Berater sollte demnach in jedem Fall vorher klar abgesteckt werden.  

Environmental Due Diligence

Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit (Environment) sind mittlerweile nicht nur in umweltsensitiven Branchen wie z.B. der Chemie- und Metallindustrie, sondern nahezu in allen Unternehmensbranchen von Bedeutung. Neben der Risikoermittlung, und quantifizierung geht es im Rahmen der Environmental Due Diligence vor allem um die Dokumentation des Ist-Zustandes der Zielgesellschaft. Ein Fokus bei der Due Diligence sollte daher auf der Prüfung liegen, ob alle umweltrechtlichen Genehmigungen zum Betrieb der Zielgesellschaft vorliegen und/oder ob z.B. Altlastenprobleme bestehen. Ist der Unternehmensstandort planungsrechtlich erlaubt und zukunftssicher? Welche Immissionen gehen von der Zielgesellschaft aus? Sind möglicherweise umwelttechnische Mängel oder Betriebssicherheitsrisiken vorhanden, die ein behördliches Einschreiten auslösen können? Diese Fragestellungen sollte durch Sichtung relevanter Umweltgutachten und ggf. ergänzender Dokumentation der Zielgesellschaft ausgewertet werden. 

Social Due Diligence

Das Thema soziale Verantwortung (Social) von Unternehmen spiegelt sich im Einzelnen u.a. in den Bereichen Diversität und Chancengleichheit, Umgang mit Geschlechtern und Personalmanagement, aber auch in Gesundheits- und Sicherheitsfragen bei den Zulieferern wieder. Im Rahmen einer Social Due Diligence sollte daher bereits bei der Lektüre des Informationsmemorandums ein Fokus z.B. auf bestehende Konzepte der Zielgesellschaft zu Diversität und Integration in der Belegschaft gelegt werden. Verfügt die Zielgesellschaft über eine formelle Strategie für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration? Gibt es besondere Verfahren zur Verfolgung von Diskriminierungsfällen, wenn solche gemeldet werden? Sind die Recruiting-Prozesse dahingehend aufgebaut und existieren Talentprogramme und -prozesse, die gleiche Erfolgschancen für Arbeitnehmer aller Identitäten und Hintergründe schaffen? Diese Fragen sollten bereits in den gängigen „Due Diligence Request“-Listen reflektiert und entsprechende Dokumentation der Zielgesellschaft ausgewertet werden.

Es sollte zudem ein Blick auf die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Menschenrechten insbesondere bei außereuropäischen Betriebsstätten geworfen und diese auditiert werden. Die durch das LkSG angehobene Verpflichtung zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten schließt sämtliche Geschäftsbeziehungen mit Subunternehmern und Lieferanten der Zielgesellschaft ein. Das hat ein Screening sämtlicher Verträge mit Selbigen hinsichtlich der Einhaltung der ESG-Standards und der Sicherstellung der strategischen Ziele der Zielgesellschaft zur Folge. Hinweise auf Verstöße gegen menschenrechtliche Bedingungen sollten z.B. anhand von dokumentierten Mitarbeiterbefragungen oder  Vor-Ort-Terminen ausgewertet werden.

Governance Due Diligence

Das Thema nachhaltige Unternehmensführung (Governance) umfasst neben der Einhaltung der gesetzlichen Compliance, – und Offenlegungspflichten auch die Aspekte Managementvergütung und Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien und kann insoweit nicht als selbstständiges, von der Social Due Diligence abgrenzbares Due-Diligence Feld betrachtet werden. Im Rahmen der Governance Due Diligence sollte eingewertet werden, ob die Zielgesellschaft Konzepte zur Einhaltung von Compliance-Standards, sog. „ESG-Risikomanagement-Systeme“, implementiert hat und regelmäßige Mitarbeitertrainings zur Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption durchführt. Ebenso relevant sind das Bestehen von Monitoring Systemen für die Meldung von Compliance-Verstößen. In diesem Zusammenhang sollte die Arbeitskultur im Unternehmen z.B. anhand der Dokumentation von Mitarbeiterbefragungen analysiert werden, da das Arbeitsklima kulturelle Haltungen, die Qualität der Arbeit und die Motivation der Mitarbeiter im Unternehmen abbildet. Dabei sollte das Management der Zielgesellschaft eine Vorbild-Funktion darstellen („Tone at the Top“). Die Verantwortung für die Geschäfts- und Risikostrategie und deren Kommunikation und Umsetzung im Unternehmen (Risikokultur) liegt bei der Geschäftsleitung. Legen die Führungskräfte ein integratives Führungsverhalten an den Tag und implementieren und/oder nutzen sie bestehende Systeme, um eine angenehme Arbeitskultur und die Unternehmensstrategie voranzutreiben? Dabei sollten neben der Durchsicht der Arbeitsverträge auch die Boni, Pensionen und/oder andere Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Bezug auf ein Missverhältnis geprüft werden.

Die genannten Prüfungspunkte können anhand von folgenden Informationen evaluiert werden, die im Rahmen von entsprechend ergänzten „Due Diligence Request“-Listen und/oder Q&A Sessions mit dem Management der Zielgesellschaft abgefragt werden können:

  • Bestehende Nachhaltigkeits-, Umwelt-, und/oder CSR-Berichte oder – falls bereits vorhanden – ein ESG-Rating einer Nachhaltigkeitsrating-Agentur
  • Bestehende Dokumentation zu Mitarbeiterbefragungen
  • Bestehende ESG Code-of-Conducts innerhalb der Lieferkette der Zielgesellschaft
  • Bestehen von ESG-relevanten KPIs
  • Bestehende relevante Genehmigungen
  • Bestehende Managementsystemzertifikate- und informationen
  • Bestehende Dokumentation über ESG-Vorfälle (einschließlich Dokumentation in (sozialen) Medien)

ESG im Unternehmenskaufvertrag

Nach Abschluss der Due Diligence gilt es bekanntermaßen, gewonnene Erkenntnisse in passende vertragliche Regelungen zu überführen mit der Maßgabe, die Risikotragung für erkannte ESG-Verstöße klar zu definieren, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Garantien

ESG-Risiken sind teilweise bereits durch „klassische“ Garantien (z.B. Umwelt-, Compliance- und Datenschutzgarantien) abgedeckt. Die Aufnahme eigenständiger ESG-Garantien in den Garantiekatalog eines Unternehmenskaufvertrags hat sich bis dato in der Vertragspraxis noch nicht durchgesetzt. Eine aussichtsreiche Lösung könnte eine Ergänzung des Garantiekatalogs um spezielle ESG-Parameter, wie z.B. die Zusage zur Implementierung eines ESG-Risikomanagement-Systems oder die Selbstverpflichtung zur Einhaltung bestimmter Diversitätsstandards oder auch Klimaneutralität sein. 

On top können entsprechende ESG-bezogene Garantien durch W&I-Versicherungen abgedeckt werden. Bis dato hat sich seitens der Versicherer ebenfalls noch keine standardisierte Ausweitung der Policen auf ESG-bezogene Problemfelder etabliert. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass auch der Versicherungsmarkt auf die zunehmende Bedeutung der ESG-Risiken reagieren und insbesondere Produkte anbieten wird, die gegen finanzielle Verluste im Zusammenhang mit Reputationsschäden aufgrund von ESG-Risiken versichern.

Freistellungen

Wenn ein immanentes Risiko im Rahmen der Due Diligence erkannt wurde, sollte der erste Gedanke einem Kaufpreisabschlag gelten. Regelmäßig bietet sich darüber hinaus eine Freistellung an. Mangels einheitlicher ESG-Metriken lassen sich die Auswirkungen von identifizierten ESG-Verstößen/-Risiken nur sehr schwer feststellen und noch schwerer quantifizieren. Vor diesem Hintergrund ist die Gestaltung von Freistellungsregelungen sowohl auf der Tatbestands- als auch der Rechtsfolgenseite sehr schwierig und eine hinreichende Eingrenzung des in Rede stehenden Freistellungssachverhalts unerlässlich, um die Stellschrauben Haftungsumfang, Verjährung und etwaiger Risikoteilung berücksichtigen zu können. Eine einzelfallspezifische und interdisziplinäre Analyse der konkreten Risikolage ist hier unumgänglich.

Kaufpreis

ESG-Faktoren können den Wert der Zielgesellschaft im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage direkt und indirekt beeinflussen. Direkt, indem die Zielgesellschaft z.B. Kosten einspart, wenn Mitarbeiter wettbewerbsübliche und faire Kompensationen erhalten und damit die Mitarbeiterfluktuation gering ist, oder wenn die Zielgesellschaft aufgrund hoher Energieeffizienz niedrige Emissionen und geringe Energiekosten aufweist. ESG-Verstöße können allerdings auch zu gravierenden Reputationsschäden führen, insbesondere wenn entsprechende Vorfälle in sozialen Medien aufgegriffen werden. Dadurch können sie den Unternehmenswert indirekt beeinflussen. Anhand sozialer Medien kann sich heute jeder intensiv mit den Hintergründen und Handlungen eines Unternehmens auseinandersetzen - #metoo, #blacklivesmatter oder #fridaysforfuture sind nur wenige Beispiele für den Einfluss, den soziale Medien als Sprachrohr in die Welt haben. Verfehlungen in Bezug auf ethische Grundsätze und Normen eines Unternehmens werden in sozialen Medien innerhalb von Sekunden publik (z.B. der Verkauf von nur vermeintlich nachhaltigen Finanzprodukten (sog. „Greenwashing“)). Neben eigenen nicht ESG-konformen Verhaltensweisen kann auch bereits die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen, das eine kritische ESG-Bilanz aufweist, ein Reputationsrisiko darstellen (bspw. wenn das Zielunternehmen eine Geschäftsbeziehung zu einer Bekleidungsfabrik in Ostasien unterhält, die wegen unzureichender nationaler Vorgaben bezüglich Sicherheitsstandards abbrennt und hunderte Arbeiter sterben). Ein Turnaround danach braucht zudem viel Zeit, in der die Zielgesellschaft sich nicht mit der Geschwindigkeit des Marktes und damit der Wettbewerber entwickeln wird.

Sowohl direkter als auch indirekte Einflüsse von ESG-Risiken können sich im Unternehmenskaufvertrag in expliziten Zu- bzw. Abschlägen (betragsmäßig oder im Rahmen der Multiples) bei prognostizierten Mittelzu/-abflüssen oder der Wachstumsrate wiederspiegeln, denn sie lassen sich entsprechend des derzeitigen Nachhaltigkeitsniveaus und der damit einhergehenden zukünftigen Integrations- bzw. Transformationskosten der Zielgesellschaft annähernd bestimmen. Doch genau in dieser Bestimmung besteht auch die große Herausforderung: Die erheblichen Unsicherheiten über den Zeithorizont und das Ausmaß von ESG-Verstößen im M&A-Kontext machen eine angemessene Risikobewertung häufig unmöglich. Unternehmen unterliegen häufig einer Notwendigkeit zu kurzfristigem Handeln, während die schlimmsten Folgen einer nicht nachhaltigen Wirtschaft und des Klimawandels eher langfristig wirken. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten der Prognosen in die Zukunft könnte auch an Earn-Out Regelungen in Bezug auf den Eintritt spezifischer ESG-Parameter (z.B. Erteilung einer Klimazertifizierung) gedacht werden.

Covenants

Im Unternehmenskaufvertrag kann zudem die verkäuferseitige Verpflichtung aufgenommen werden, bis zum oder nach dem Closing bestimmte  ESG-bezogene Maßnahmen (Covenants), vorzunehmen (z.B. Berücksichtigung von Diversitäts-Gesichtspunkten bei Einstellung neuer Mitarbeiter), und dessen Nichteinhaltung kann an Vertragsstrafen geknüpft werden. Es sollte dabei darauf geachtet werden, dass die ESG-Maßnahmen explizit gelistet und genau formuliert werden, um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.

Fazit/Ausblick

ESG-Kriterien rücken im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen zunehmend in den Vordergrund. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der sukzessiven Verrechtlichung von ESG weitere Anreize zur Beachtung im Transaktionskontext geschaffen werden. Einheitliche ESG-Metriken haben sich noch nicht herausgebildet. Es wird daher künftig noch wichtiger praxisgerechte Lösungen für die Integration von ESG-Kriterien in den M&A-Prozess zu erarbeiten. Dabei sollte zunächst unbedingt eine maßgeschneiderte Analyse der Zielgesellschaft mittels einer ESG-Due Diligence erfolgen. Die im Rahmen dieser ESG-Due Diligence identifizierten ESG-bezogenen Chancen und Risiken müssen angemessen und interessengerecht in der Transaktionsdokumentation (z.B. im Rahmen der Garantien, Freistellungen, des Kaufpreises und/oder der Covenants) abgebildet werden.

References
Die Daten stammen aus dem „Europe ESG Deal Digest – December“, einer seitens Mergermarket durgeführten monatlichen Auswertung aller europäischen M&A-Deal-Ankündigungen, die das Akronym ESG oder das Wort Nachhaltigkeit direkt erwähnen; vgl. auch https://www.mergermarket.com/intelligence/view/intelcms-d3m3qr?shared&u=3F7F2FEC-8EEF-47BD-9626-E9113559ECB2.
Vgl. Pressemitteilung der SMS Group GmbH vom 10.12.2021, https://www.pressebox.de/pressemitteilung/sms-siemag-ag/SMS-group-investiert-in-Industrieservice-Unternehmen-KAEFER-Isoliertechnik-GmbH-Co-KG/boxid/1089909.
Vgl. Pressemitteilung der OneTrust LLC vom 12.08.2021, https://www.onetrust.com/company/news/press-releases/onetrust-acquires-planetly/.
4 COM(2018) 97.
Um die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen zu erhöhen, wurde im Jahr 2014 mit der EU-Richtline 2014/05/EU, der sogenannten CSR-Richtlinie, eine Ausweitung der Berichtspflichten im Lagebericht verabschiedet. Die Umsetzung in deutsches Recht mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) wird seit dem Geschäftsjahr 2017 angewendet.
6 VO (EU) 2020/852.
7 VO (EU) 2019/2088).
Die Taxonomie-VO ist am 12. Juli 2020 in Kraft getreten und ab 1. Januar 2022 auf den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel (vgl. Art. 27 i.V.m. Art. 9a und b Taxonomie-VO) sowie ab 1. Januar 2023 auf die übrigen in Art. 9 genannten Umweltziele anzuwenden.
Die Offenlegungsverordnung ist am 29. Dezember2019 in Kraft getreten und  ab 10. März 2021 anzuwenden (vgl. Art. 20 Offenlegungs-VO).
10 BT-Drucksache 19/28649.
11 Vgl. auch BB 2021, 2165 und BB 2021, 2890, in denen unsere Kollegen Dr. Justus Frank, LL.M., Maître en droit, RA, Golo Edel, RA, Dipl.-Jur. Maurice Heine und Dipl.-Jur. Nils Heine die gesetzlichen Regelungen des LkSG beleuchten und die praxisbezogenen Folgefragen für das Handels- und Arbeitsrecht untersuchen.
12 Vgl. Dr. Claudia Döpfner, Dr. Hans Albert Schneider, Nachhaltigkeitsratings auf dem Prüfstand, Mai 2012, S. 10 ff.

 

 

Authored by Sophie Ulrich.

 

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