Neue Regelungen für den Online-Handel und Verbraucherschutz

In letzter Zeit hat die EU vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung des Handels mehrere Richtlinien und Verordnungen insbesondere zur Stärkung des Verbraucherschutzes erlassen. Die jüngsten Neuerungen betreffen vor allem den Online-Handel sowie den Kauf (online sowie stationär) von Waren (mit digitalen Elementen) und digitalen Inhalten.

Im Zentrum der neuen Regelungen stehen dabei in erster Linie Transparenz und Fairness im Handel. Um diese zu gewährleisten, setzt die EU primär auf eine Ausweitung der Informationspflichten von Unternehmern und der Gewährleistungsrechte für Verbraucher.

Im Folgenden beleuchten wir vier Neuregelungen aus den Bereichen Digitalisierung und Verbraucherschutz: (1) die Omnibus-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften, (2) die Warenkaufrichtlinie, (3) die Digitale-Inhalte-Richtlinie sowie (4) die Platform-to-Business-Verordnung. Während die Platform-to-Business-Verordnung bereits seit dem 12. Juli 2020 gilt, hat der deutsche Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinien erst kürzlich die Gesetzesentwürfe verabschiedet, welche zum Beginn des neuen Jahres in Kraft treten werden.

Mehr Verbraucherschutz im Wettbewerbs- und Gewerberecht: die Omnibus-Richtlinie

Durch die sog. Omnibus Richtlinie (EU) 2019/2161 werden umfassende Änderungen an vier bestehende Richtlinien in den Bereichen Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht vorgenommen: (1) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie 2005/29/EG), (2) der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (Richtlinie 2011/83/EU), (3) der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Richtlinie 93/13/EWG) und (4) der Richtlinie über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Richtlinie 98/6/EG).

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ der Bundesregierung wurde am 10. Juni 2021 vom Bundestag beschlossen und enthält Regelungen zur Umsetzung der Omnibus-Richtlinie. Ziel ist, den Schutz von Verbrauchern vor unlauteren Geschäftshandlungen, vor allem im Zusammenhang mit Online-Handel und Digitalen Produkten, zu verbessern sowie ihnen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu helfen.

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen insbesondere:

  • Erweiterte Informationspflichten gegenüber Verbrauchern im Hinblick auf die Parameter von Rankings, der Herkunft von Verbraucherproduktbewertungen und der Unternehmereigenschaft der Verkäufer auf Online-Marktplätzen;
  • individueller Schadensersatzanspruch von Verbrauchern bei schuldhaften Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften des UWG;
  • Verpflichtung, bei Preissenkungen den vorherigen Preis zwingend anzugeben;
  • Verpflichtung, Verbraucher explizit auf Unterschiede zu anderen (ähnlichen) Waren aufmerksam zu machen und keinesfalls wesentlich unterschiedliche Waren als identisch zu vermarkten;
  • Einführung bzw. Erhöhung von Bußgeldern bei Verstößen gegen bestimmte verbraucherschützende Vorschriften auf bis zu 50.000 Euro oder bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes des verstoßenden Unternehmens, sowie;
  • Kennzeichnungs- und Unterscheidungspflicht für kommerzielle und private Kommunikation, insbesondere auch im Bereich des Influencer-Marketings.

Die neuen Regelungen werden Ende Mai 2022 in Kraft treten. Da ein Schwerpunkt der neuen Regelungen auf der Abschreckungswirkung liegt, muss sich in Zukunft vermehrt auf Sanktionen und Maßnahmen gegen verstoßende Unternehmen eingestellt werden, ggf. durch Auferlegung hoher Bußgelder.

Neuerungen im Warenkauf

Die Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs („Warenkauf-Richtlinie“) hat die Stärkung von Verbraucherrechten beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen wie etwa „intelligente Kühlschränke“, Smart Watches oder Smart TVs zum Ziel.

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ der Bundesregierung wurde am 24. Juni 2021 vom Bundestag beschlossen und soll die Warenkauf-Richtlinie umsetzen.

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen insbesondere:

  • Verpflichtung, zukünftig Updates bzw. Aktualisierungen für Waren mit digitalen Elementen zur Verfügung zu stellen;
  • Verlängerung der Beweislastumkehr auf mindestens 2 Jahre für Waren, für die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente vereinbart ist, und ein Jahr für alle anderen Waren;
  • geänderte Kaufmängelgewährleistungsrechte, insbesondere Verzicht auf die Fristsetzung durch den Verbraucher bei Rücktritt und Schadensersatz, die Kostenübernahme durch den Unternehmer bei der Vertragsrückabwicklung nach einem Rücktritt sowie Sonderbestimmungen für die Verjährung;
  • Unternehmer dürfen die Nacherfüllung im Falle eines Mangels bei unverhältnismäßig hohen Kosten nun auch gegenüber Verbrauchern vollständig verweigern, sowie;
  • umfangreichere Informations- und andere Pflichten bei Garantien, insbesondere die Pflicht, die Informationen dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.

Die neuen Vorschriften sind ab dem 1. Januar 2022 auf die ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge anzuwenden. Eins steht jedoch bereits jetzt fest: Die neuen Regelungen werden das Gewährleistungsrecht stellenweise zu Gunsten der Verbraucher „revolutionieren“.

Erwerb digitaler Inhalte und Beauftragung digitaler Dienstleistungen

Die Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen („Digitale Inhalte-Richtlinie“) stärkt parallel zur Warenkauf-Richtlinie Verbraucherrechte bei Verträgen über den Kauf von digitalen Inhalten und der Erbringung digitaler Dienstleistungen (zusammen im Folgenden „Digitale Produkte“).

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ der Bundesregierung wurde am 24. Juni 2021 vom Bundesrat beschlossen und soll die Digitale-Inhalte-Richtlinie umsetzen und so für mehr Verbraucherschutz beim Erwerb von Digitalen Produkten (z.B. Software und Apps) und bei der Nutzung von Online-Vermittlungsdiensten sorgen.

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen insbesondere:

  • Verpflichtung, zukünftig Updates bzw. Aktualisierungen für Digitale Produkte zur Verfügung zu stellen;
  • spezifische Vorgaben für die Mangelfreiheit Digitaler Produkte, wie insbesondere Vorgaben zur Leistungszeit und Art und Weise der Bereitstellung;
  • umfangreiche gewährleistungsrechtliche Ansprüche und Rechte für Verbraucher;
  • personenbezogene Daten als Gegenleistung werden rein monetären Gegenleistungen gleichgestellt, sowie;
  • Modalitäten der Vertragsbeendigung, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der Digitalen Produkte sowie personenbezogener Daten der Verbraucher nach Vertragsbeendigung.

Die neuen Vorschriften sind ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden, wenn die Bereitstellung der Digitalen Produkte ab diesem Zeitpunkt erfolgt. Eine Ausnahme bilden die Vorschriften zu Änderungen an den Digitalen Produkten und zum Unternehmerrückgriff, die nur für Verträge gelten, die ab diesem Zeitpunkt geschlossen werden. Auch hier kann teilweise aufgrund der zahlreichen Neuerungen von einer „kleinen“ Revolution des Gewährleistungsrechts zu Gunsten von Verbrauchern gesprochen werden.

Die P2B Verordnung – neue Regeln für den Online-Handel

Die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, die sog. Platform-to-Business oder „P2B-Verordnung“ richtet sich zwar nur an gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen. Mittelbar dienen die Regelungen allerdings auch dem Verbraucherschutz, da sich Fairness und Transparenz im B2B-Bereich mittelbar auch auf diesen auswirken. Denn sie führt zu einem größeren Angebot für Verbraucher und erlaubt ihnen, besser informierte Entscheidungen zu treffen.

Durch die P2B-Verordnung, die seit dem 12. Juli 2020 gilt, werden insbesondere Online-Vermittlungsdienste deutlich stärker in die Pflicht genommen; lediglich vereinzelte Regelungen der P2B-Verordnung gelten hingegen für Online-Suchmaschinen. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass diese anders als Online-Vermittlungsdienste nicht die Gefahr eines „virtuellen Marktplatzes“ mit sich bringen .

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen insbesondere:

Informationspflichten in AGB

Zusätzlich zu den bereits jetzt geltenden Anforderungen an AGB sind Online-Vermittlungsdienste verpflichtet:

  • Gründe anzugeben, wann und wie sie das Nutzungsverhältnis mit einem gewerblichen Nutzer beenden können;
  • Auswirkungen auf die geistigen Eigentumsrechte der gewerblichen Nutzer darzustellen;
  • die Aussetzung und Sperrung von Nutzerkonten umgehend gegenüber dem betroffenen gewerblichen Nutzer zu begründen;
  • Gründe für die Beschränkung, die Waren oder Dienstleistungen auf anderem Weg anbieten zu dürfen, anzugeben, sowie;
  • die Parameter für die Darstellung von Suchergebnissen und Rankings anzugeben, insbesondere auch den Einfluss direkter oder indirekter Entgelte darauf.
Änderung von AGB

Online-Vermittlungsdienste dürfen AGB nur noch unter den folgenden Voraussetzungen ändern:

  • frühzeitige Unterrichtung über AGB-Änderungen, d.h. mindestens 15 Tage im Voraus;
  • Unterrichtung auf einem dauerhaften Datenträger und;
  • Kündigungsoption für den gewerblichen Nutzer.
Streitschlichtung

Online-Vermittlungsdienste mit 50 oder mehr Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro. sind zudem verpflichtet, für Beschwerden bei Verstößen und missbräuchlichen Maßnahmen sowie bei technischen Problemen ein Beschwerdemanagementsystem einzurichten.

Ausblick und Praktische Empfehlungen

Lange Zeit hinkten der deutsche und auch der europäische Gesetzgeber der Digitalisierung und dem Online-Handel hinterher.

Insbesondere durch die Corona-Pandemie ist die enorme Bedeutung beider Bereiche in kurzer Zeit noch sehr viel größer geworden. Die neuen Regelungen sind ein entscheidender Schritt, um einen rechtlichen Rahmen für diese unfassbar komplexen und wichtigen Bereiche zu schaffen und damit für ein Stückchen mehr Rechtsicherheit zu sorgen.

Unternehmen sollten daher:

  • Die Einhaltung der Anforderungen der P2B-Verordnung bereits jetzt prüfen und ggf. ihre AGBs sowie operativen Abläufe anpassen. Ansonsten drohen bei Verstößen Ansprüche von Wettbewerbern oder gewerblichen Nutzern (z.B. auf Unterlassung oder Schadensersatz);
  • Im Übrigen sollte die Umsetzung der neuen Verbraucherschutz-Richtlinien durch den deutschen Gesetzgeber weiterhin sorgfältig beobachtet werden und vor allem rechtzeitig gehandelt werden. Bekanntlich drohen Unternehmern bei Verstößen gegen verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche von Wettbewerbern und Verbraucherschutzverbänden sowie ggf. Schadensersatzansprüche von Verbrauchern.

Zudem stehen die nächsten großen Neuregelungen bereits vor der Tür: der Verordnungsvorschlag für ein Digitale Märkte Gesetz und ein Digitale Dienste Gesetz, mit denen die EU eine umfassende Neuordnung des digitalen Marktes anstrebt. Der Vorschlag der EU-Kommission muss in den nächsten Monaten noch im EU-Parlament und dem EU-Rat diskutiert werden; die finalen Gesetze werden für 2022 erwartet. Daneben werden unweigerlich weitere Regelungen folgen (müssen), auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene.

Im Ergebnis wird daher deutlich sichtbar: Die EU und auch der deutsche Gesetzgeber meinen es ernst mit dem Verbraucherschutz im digitalen Markt.

 

Geschrieben von Dr. Florian Unseld, Dr. Christiane Alpers und Golo Edel.

 

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