Influencer-marketing. Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat durch eine Reihe von Entscheidungen Rechtssicherheit über die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an das Influencer Marketing geschaffen. Demnach ist zwischen geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens und zugunsten eines fremden Unternehmens zu differenzieren, wobei Letztere nur bei Erhalt einer Gegenleistung, die auch in der kostenfreien Bereitstellung von Produkten bestehen kann, eine Kenntlichmachung des kommerziellen Zweckes erfordern. Somit werden die spezialgesetzlichen Regelungen des TMG und MStV mit dem UWG in Einklang gebracht. Hinsichtlich der geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens wurden die bisher in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien bestätigt.

Einleitung

Influencer-Marketing ist bereits seit einigen Jahren in verschiedensten Lebensbereichen eine etablierte Werbeform und hat als solche auch die Rechtsprechung in Deutschland beschäftigt. Nach diversen teils divergierenden Entscheidungen verschiedener Land- und Oberlandesgerichte hatte schließlich auch der BGH Gelegenheit, sich mit der rechtlichen Einordnung des Influencer-Marketings zu befassen (BGH Urteil vom 9. September 2021, Az. I ZR 90/20 – Influencer I; BGH Urteil vom 9. September 2021, Az. I ZR 125/20 – Influencer II; BGH Urteil vom 9. September 2021, Az. I ZR 126/20 (ohne offiziellen Namen – hier bezeichnet als „Plüschelefant“; BGH Urteil vom 13. Januar 2022, Az. I ZR 35/21 – Influencer III). In einer deutlich zwischen verschiedenen Verhaltensformen differenzierenden Weise hat der BGH nun weitestgehend Rechtssicherheit für den Bereich des Influencer-Marketings geschaffen.

Sachverhalte

Die Sachverhalte betrafen Instagram-Bild-Posts mit Begleittext, wobei sogenannte "Tap Tags" in die Bilder eingefügt waren (im Fall Plüschelefant nur bei drei der vier streitgegenständlichen Posts). Klickt der Instagram-Nutzer auf das Bild, erscheint zunächst der "Tap Tag" mit dem Hinweis auf ein Unternehmen. Klickt der Instagram-Nutzer ein zweites Mal auf den "Tap Tag", wird er über eine Verlinkung auf die Seite des Unternehmens weitergeleitet.

Die beklagte Influencerin in der Entscheidung Influencer I hatte für einen der streitgegenständlichen Posts eine Gegenleistung erhalten. Im Begleitfließtext zu diesem Bild-Beitrag war die folgende Information enthalten:

"Werbung: gibt's ab morgen neu im Shop".

Die Influencerinnen in den Entscheidungen Influencer II und Plüschelefant hatten keine Gegenleistung erhalten. Eine Kennzeichnung der Beiträge als Werbung erfolgte nicht.

Der Influencerin in der Entscheidung Influencer III wurden die Produkte (Waren und Dienstleistungen) zum Teil kostenlos zur Verfügung gestellt; teilweise hatte sie die Produkte mit eigenen Mitteln erworben. Eine Kennzeichnung der streitgegenständlichen Instagram-Posts als Werbung erfolgte nicht.

Maßgebliche gesetzliche Regelungen

Der BGH prüfte, wie auch die Oberlandesgerichte, primär § 5a Abs. 6 UWG. Dieser lautet:

"Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."

Die Tatbestandsmerkmale lassen sich danach wie folgt zusammenfassen:

  1. Der Beitrag stellt eine geschäftliche Handlung dar.
  2. Der kommerzielle Zweck wird nicht kenntlich gemacht und ergibt sich nicht aus den Umständen.
  3. Eignung des Beitrags, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Neben § 5a Abs. 6 UWG käme insbesondere noch die Prüfung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie von § 58 Abs. 1 S. 1 RStV, jetzt § 22 Abs. 1 S. 1 MStV, in Betracht. Diese Vorschriften verlangen jedoch, dass der Influencer für den Post eine Gegenleistung erhalten haben muss. Dies war in den Fällen Influencer II und Plüschelefant nicht der Fall. Aber auch das OLG Braunschweig hat diese Normen in der zweitinstanzlichen Entscheidung von Influencer I nicht geprüft.

Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat die Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Ergebnis bestätigt, teilweise jedoch mit abweichender Begründung. Insbesondere  differenziert der BGH, anders als die Oberlandesgerichte, sehr genau zwischen den einzelnen Konstellationen des Influencer-Marketings. Die wichtigste Differenzierung, die der BGH vornimmt, ist die Unterscheidung zwischen der geschäftlichen Handlung zugunsten des eigenen Unternehmen einerseits und zugunsten fremder Unternehmen andererseits. Letzteres ist dann weiter danach zu differenzieren, ob der Influencer eine Gegenleistung erhalten hat oder nicht. Diese Differenzierung wird dabei nicht nur beim Tatbestandsmerkmal der "geschäftlichen Handlung", sondern gerade auch bei der Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks, relevant.

1. Geschäftliche Handlung, §§ 5a Abs. 6, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Damit kann eine geschäftliche Handlung in zwei Richtungen erfolgen: Sowohl zugunsten des eigenen Unternehmens, was voraussetzt, dass Influencer ein solches betreiben, also Unternehmer sind, als auch zugunsten eines fremden Unternehmens. Da das Vorliegen der geschäftlichen Handlung im Fall Influencer II nicht streitig war, hatte sich der BGH nur in den Fällen Influencer I und Plüschelefant hiermit zu beschäftigen. In der später ergangenen Entscheidung Influencer III griff er die entwickelten Grundsätze wieder auf.

(a) Geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens

Der BGH stellt zunächst fest, dass Influencer Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG seien und als solche auch unternehmerisch handelten.

Dies gelte zum einen dann, wenn sie eigene Waren oder Dienstleistungen vertrieben. Die Influencerin im Fall Influencer I bietet z. B. eigene Fitness-Produkte sowie auch Fitness-Dienstleistungen an.

Daneben kann eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens auch darin liegen, das eigene Image zu vermarkten und durch Werbeeinnahmen zu kommerzialisieren. Die Erhöhung der Zahl der Follower und Kommentare erhöhten den Wert der angebotenen Dienstleistungen. Durch die Steigerung des Werbewerts förderten Influencer ihr eigenes Unternehmen.

Der BGH hatte in diesem Rahmen auch zu entscheiden, wie die Veröffentlichung privater oder redaktioneller Beiträge zu bewerten ist bzw. ob sich eine fehlende Gegenleistung auswirkt.

Er entschied, dass sich eine fehlende Gegenleistung nicht auswirke. Denn eine Förderung des eigenen Unternehmen erfolge regelmäßig ohne Gegenleistung.

Weiter sei unerheblich, dass einige Beiträge durchaus privaten Charakter aufwiesen. Dieser Umstand ändere nichts am Vorliegen des geschäftlichen Charakters sämtlicher Beiträge. Ein Unternehmer, der private Äußerungen nutze, um den Wettbewerb seines Unternehmens zu steigern, gebe diesen einen geschäftlichen Anstrich. Gerade der Anschein des Privaten mache die Glaubwürdigkeit und Attraktivität des Influencer-Marketings aus.

Mit Blick auf redaktionelle Beiträge hatte das Kammergericht Berlin noch nach den einzelnen Beiträgen differenziert (siehe unseren Beitrag hier). Der BGH entscheidet nun im Einklang mit der Rechtsprechung, dass redaktionelle Beiträge grundsätzlich keine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens seien, da eine Absatzförderung nur ein Reflex sei. In den Fällen Influencer I und Plüschelefant kam er jedoch zu dem Ergebnis, dass bei den (auch) redaktionellen Beiträgen ebenso ein eigennütziger kommerzieller Zweck der Veröffentlichung im Vordergrund stehe, da sich diese zugunsten des Absatzes der von der Beklagten angebotenen Werbedienstleistungen auswirkten. Die über Instagram gewonnene Gefolgschaft werde zur Steigerung des Werbewerts genutzt.

(b) Geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens

Bei der Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens hat der BGH eine weitere Differenzierung dahingehend vorgenommen, ob der Influencer für den Post eine Gegenleistung erhält. Auch diese Unterscheidung prägt die Prüfung der weiteren Tatbestandsmerkmale.

(i) Erhalt einer Gegenleistung (Influencer I und Influencer III)

Eine geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen liege unstreitig jedenfalls dann vor, wenn ein Influencer – wie im Fall Influencer I – für einen werblichen Beitrag eine Gegenleistung erhalte.

In der Entscheidung Influencer III konkretisierte der BGH, dass eine Gegenleistung auch dann vorliege, wenn die Produkte der Influencerin kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien.

(ii) Kein Erhalt einer Gegenleistung (Influencer II und Plüschelefant)

In den Fällen Influencer II und Plüschelefant hatten die Influencer jedoch keine (nachweisbare) Gegenleistung erhalten.

Insoweit stellte der BGH fest, dass der Erhalt einer Gegenleistung keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens sei.

Ob eine geschäftliche Handlung vorliege, sei danach zu bewerten, ob der Beitrag einen werblichen Überschuss aufweise. Dieses Kriterium ist aus dem Presserecht bekannt. Entscheidend sei das äußere Erscheinungsbild des Beitrags aus Sicht eines durchschnittlichen Adressaten. Regelmäßig liege ein werblicher Überschuss vor, wenn die Förderung eines fremden Unternehmens eine größere als nur notwendigerweise begleitende Rolle spiele. Dies könne etwa bei einer fehlenden kritischen Distanz des Beitrags angenommen werden, wenn allein die Vorzüge lobend hervorgehoben oder ein Produkt geradezu empfohlen werde. Weiter spreche für einen werblichen Überschuss, wenn der Rahmen der sachlichen Information verlassen werde.

Mit Blick auf die auf Instagram von Influencern häufig benutzten „Tap Tags“ kommt der BGH zu der Einschätzung, dass das bloße Setzen der „Tap Tags“ regelmäßig nicht ausreiche, um einen werblichen Überschuss zu bejahen, da der Hersteller eines Produkts nur benannt werde und es sich damit um eine weiterführende Information handele. Etwas anderes gelte – und dies erinnert an das Urteil des Kammergerichts Berlin –, wenn der „Tap Tag“ keinen Bezug zum Bild- und/oder Textbeitrag aufweise.

Ein werblicher Überschuss sei aber regelmäßig dann anzunehmen, wenn auf die Instagram- bzw. Internetseite des Herstellers verlinkt werde, und zwar unabhängig davon, ob dort die Produkte des Drittunternehmens auch direkt erworben werden könnten. Denn schon die Verlinkung auf eine Informationsseite erleichtere und beschleunige den Zugang zu den Produkten des Drittunternehmens. Insofern ist allerdings zu bemerken, dass es gerade das Wesen von Instagram „Tap Tags“ ist, auf andere Instagram-Seiten zu verlinken, so dass bei Benutzung von „Tap Tags“ wohl regelmäßig von einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens ausgegangen werden muss.

2. Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks, soweit sich dieser nicht aus den Umständen ergibt, § 5a Abs. 6 UWG

Wenn eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmen vorliegt, kommt es weiter auf die Frage an, ob der regelmäßig ebenfalls vorliegende kommerzielle Zweck der Handlung kenntlich gemacht wurde oder ob er sich aus den Umständen ergibt.

Auch hier differenziert der BGH zunächst danach, ob eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens oder eines fremden Unternehmens vorliegt. Im zweiten Fall ist weiter danach zu differenzieren, ob eine Gegenleistung geleistet wurde (Influencer I und III) oder nicht (Influencer II und Plüschelefant).

(a) Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks bei einer Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens

Der BGH folgt mit Blick auf die geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens der Rechtsprechung des OLG München und des HansOLG Hamburg, die bei Vorliegen bestimmter Umstände eine Offensichtlichkeit des kommerziellen Zwecks – allerdings sowohl zugunsten des eigenen als auch des fremden Unternehmens – angenommen hatten (siehe unseren Beitrag hier). 

Unter anderem stellte das HansOLG Hamburg auf die folgenden Umstände ab, die vom BGH revisionsrechtlich nicht beanstandet wurden:

  • Blauer Haken als Statussymbol, über den nur verifizierte Accounts verfügen;
  • Große Zahl an Followern und Likes;
  • Abweichung des Accountnamen vom richtigen Namen;
  • Geschlossener Benutzerkreis auf Instagram und damit einhergehende Kenntnis um die Besonderheiten und Gesetzmäßigkeiten des Mediums Instagram;
  • Hochwertige Darbietung der Posts;
  • Wissen des Verkehrs um Vermarktungsform des Influencer-Marketings;
  • Eigene Bezeichnung als Influencerin.

(b) Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens

Mit Blick auf die Frage der Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens zeichnete sich der Fall Influencer I, in dem die Influencerin eine Gegenleistung erhalten hatte, dadurch aus, dass es einen Hinweis auf Werbung gab, allerdings im Fließtext zum Bildbeitrag. Der BGH konnte deshalb Vorgaben dazu machen, wie Beiträge als Werbung zu kennzeichnen sind.

In den Fällen Influencer II und III hatten die Influencerinnen keine Gegenleistung erhalten und ihre Beiträge auch nicht gekennzeichnet. In diesen Entscheidungen ging es also darum, ob die Kennzeichnung entbehrlich war.

(i) Erhalt einer Gegenleistung und (unzureichende) Kennzeichnung des Beitrags (Influencer I)

Im Fall Influencer I hatte die Influencerin eine Gegenleistung für einen der streitgegenständlichen Beiträge erhalten. Sie hatte im Fließtext zum Bildbeitrag folgenden Hinweis vorgenommen:

"Werbung: gibt's ab morgen neu im Shop"

Eine irgendwie geartete Hervorhebung erfolgte jedoch nicht.

Im Einklang mit der Instanzrechtsprechung kam der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Hinweis auf den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung auf den ersten Blick und ohne Zweifel erkennbar sein müsse. Nicht ausreichend sei es, wenn der kommerzielle Zweck erst dann erkennbar würde, wenn sich der Verbraucher bereits eingehend mit dem Beitrag beschäftigt habe. Denn dann sei er der Anlockwirkung bereits erlegen und könne dem Beitrag nicht mehr von vornherein kritisch gegenüberstehen oder sich dem Beitrag ganz entziehen.

Die von der Influencerin im Fall Influencer I gewählte Kennzeichnung reiche nicht aus. Denn der Hinweis sei in keiner Weise hervorgehoben, weder durch eine farbliche Abgrenzung, eine andere Schriftart noch durch  einen davor eingefügten Absatz. Er sei damit nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Ergänzend erklärt der BGH, dass sich der kommerzielle Zweck bei der Vermischung privater und kommerzieller Beiträge nicht aus der Verifizierung des Profils (blauer Haken), der Anzahl der Follower oder der generellen Bekanntheit ergeben könne, auch wenn dies bei einer Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens ausreichen könne (siehe oben). Denn die Erkennbarkeit, dass der Influencer zugunsten seines eigenen Unternehmen handelt, reiche nicht aus, um auch eine Erkennbarkeit des Handelns zugunsten eines fremden Unternehmens zu bejahen.

(ii) Kein Erhalt einer Gegenleistung (Influencer II und Plüschelefant)

Ob die Umstände, die für eine Offensichtlichkeit des Vorliegens eines kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens sprechen, auch für die Offensichtlichkeit des kommerziellen Zwecks bei Handlungen zugunsten eines fremden Unternehmens herangezogen werden können, ließ der BGH in den Fällen Influencer II und Plüschelefant offen; in der später ergangenen Entscheidung Influencer III verneinte er dies ausdrücklich.  

Jedenfalls könne ein solches Verhalten deshalb nicht unlauter i. S. d. § 5a Abs. 6 UWG sein, weil es nicht gegen die vorrangigen Spezialregelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und des § 22 Abs. 1 S. 1 MStV (früher: § 58 Abs. 1 S. 1 RStV) verstoße und somit den Spezialvorschriften für Werbung in Telemedien genüge. Bei beiden Vorschriften handele es sich um spezifische Vorschriften über Anforderungen an die Erkennbarkeit kommerzieller Kommunikation in Telemedien. Es sei ständige Rechtsprechung, dass bereichsspezifische Vorschriften den Anwendungsbereich allgemeiner lauterkeitsrechtlicher Vorschriften einschränken könnten. Beide Vorschriften seien Marktverhaltensregelungen, die über § 3a UWG auch lauterkeitsrechtliche Wirkungen entfalteten. Die sich aus diesen Vorschriften ergebenden medienrechtlichen Wertungen dürften über die Anwendung der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften nicht unterlaufen werden.

Im Einzelnen bedeutet dies folgendes:

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG muss eine kommerzielle Kommunikation als solche klar erkennbar sein. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 TMG liegt eine kommerzielle Kommunikation aber nicht vor bei Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden. Da in den Fällen Influencer II und Plüschelefant der Erhalt einer Gegenleistung nicht nachgewiesen wurde, lag damit keine kommerzielle Kommunikation im Sinne der Vorschrift vor, womit sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG auch keine Pflicht zur Kennzeichnung des Beitrags als "Werbung" ergab.

2. § 22 Abs. 1 S. 1 MStV (früher: § 58 Abs. 1 S. 1 RStV) setzt ebenfalls voraus, dass Werbung als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein muss. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV (früher: § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV) ist Werbung jede Äußerung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen ist. Auch diese Definition verlangt also für das Vorliegen von "Fremdwerbung" den Erhalt einer Gegenleistung. Mangels Gegenleistung in den Fällen Influencer II und Plüschelefant erfüllten die Beiträge deshalb auch nicht das Kriterium der "Werbung" des MStV (früher: RStV) und mussten dementsprechend auch nicht als solche gekennzeichnet werden.

Aufgrund des Vorrangs der medienrechtlichen Vorschriften und der Tatsache, dass das Verhalten der Influencerinnen in den Entscheidungen Influencer II und Plüschelefant nicht gegen diese Vorschriften verstieß, verneinte der BGH auch die Unlauterbarkeit nach § 5a Abs. 6 UWG.

(iii) Gegenleistung in Form der kostenlosen Zurverfügungstellung von Produkten (Influencer III)

In der Entscheidung Influencer III wurden der Influencerin die Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt.

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine „Gegenleistung“, wie sie sowohl das TMG als auch der MStV für das Vorliegen von „kommerzieller Kommunikation“ bzw. „Werbung“ verlangten, gegeben sei. Zweck der Spezialvorschriften sei es, versteckte Werbung zu verhindern. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn jeder geldwerte Vorteil – und hierzu gehörten auch kostenlos zur Verfügung gestellte Produkte – als Gegenleistung verstanden würde. Denn auch diese Produktbereitstellung initiiere die Instagram-Posts. Auf den Wert der konkret zur Verfügung gestellten Produkte komme es nicht an. Denn ein wertmäßiger Mindestbetrag werde weder im TMG noch im MStV vorausgesetzt.

Die Wertungen des TMG und des MStV standen der Annahme eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 6 UWG damit nicht entgegen, weil die beanstandeten Handlungen den Anforderungen der entsprechenden Regelungen nicht genügten.

(iv) Zusammenfassung

Bei einer unentgeltlichen Fremdwerbung gehen die Vorschriften des TMG und des MStV (früher: RStV) als bereichsspezifische Spezialregelungen vor. Damit sollen Wertungswidersprüche verhindert werden.

Bei einer entgeltlichen Fremdwerbung stellen sich diese Abgrenzungsprobleme demgegenüber nicht. Denn bei fehlender Kennzeichnung als Fremdwerbung und – bei allen Vorschriften gleich zu beurteilender – fehlender Offensichtlichkeit verstößt die geschäftliche Handlung sowohl gegen die UWG- als auch gegen die TMG- und MStV-Vorschriften. Ein Wertungswiderspruch entsteht dann nicht.

3. Veranlassung zu einer ansonsten nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidung (Influencer I und III)

In den Entscheidungen Influencer I und III hat der BGH noch zu der Frage Stellung genommen, ob der Verbraucher durch die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurde, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Der BGH hebt zunächst hervor, dass eine geschäftliche Entscheidung i.S.d. § 2 Abs. Nr. 9 UWG nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder den Nichterwerb eines Produkts sei, sondern auch die damit zusammenhängenden Entscheidungen, wie z. B. das Betreten eines Geschäfts oder der Aufruf der Internetseite des Herstellers. Dagegen reiche es nicht aus, wenn sich der Verbraucher nur mit der Werbung eines Unternehmens befasse, da dann kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang bestehe.

Auf die vorliegende Instagram-Fallgestaltung übertragen, bedeute dies, dass keine geschäftliche Entscheidung vorliege, solange der Nutzer nur das Profil des Influencers aufrufe. Auch das erste Klicken auf das Bild, welches zum Erscheinen des „Tap Tags“ führe, sei noch nicht als geschäftliche Entscheidung zu werten. Denn diese Handlungen seien vergleichbar mit dem "Befassen mit Werbung". Etwas anderes gelte aber beim zweiten Klick auf den „Tap Tag“ und die Weiterleitung auf die Unternehmensseite, und zwar unabhängig davon, ob dort die Produkte direkt erworben werden könnten oder nicht.

Das Nichtkenntlichmachen sei auch geeignet, den Verbraucher genau zu dieser geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Hiervon sei schon im Regelfall auszugehen. 

Fazit

Der BGH hat vier sehr differenzierte Entscheidungen vorgelegt. Diese Entscheidungen entsprechen im Wesentlichen auch der am 28. Mai 2022 in Kraft tretenden Neuregelung des § 5a Abs. 4 UWG n. F. (jetzt: § 5a Abs. 6 UWG). Danach liegt ein kommerzieller Zweck bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Mit Blick auf die "Fremdwerbung" wird hierdurch ein Gleichlauf mit den medienrechtlichen Vorschriften erreicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung hatte der Gesetzgeber bei der Formulierung der Vorschrift gerade das Influencer-Marketing im Sinn.

Die Entscheidung überzeugt auch mit Blick auf die in Influencer I enthaltenen Hinweise zur Art der Kennzeichnung. Eine Einbettung in Fließtexte reicht jedenfalls nicht aus. Vielmehr ist zu fordern, dass der Hinweis auf den ersten Blick und ohne weiteres erkennbar ist. Dies ist nach diesseitiger Auffassung regelmäßig nur der Fall, wenn der Hinweis auf "Werbung" gleich zu Beginn des Textbeitrags erfolgt.

Verfasst von Yvonne Draheim und Sabrina Mittelstaedt.

 

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