EuGH: Unterbrechung der Verwirkungsfrist nur bei ernsthafter Rechtsverfolgung

Der mit einem kennzeichenrechtlichen Verfahren um die Rechte am Unternehmenskennzeichen „HEITEC“ befasste BGH legte dem EuGH vier Fragen zur Vorabentscheidung vor, welche alle die Rechtsfrage der Verwirkung wegen Duldung zum Gegenstand hatten. Der EuGH entschied unter anderem, dass eine Abmahnung sowie die Anhängigkeit einer Klage nur dann zur Unterbrechung der Verwirkungsfrist führen, wenn sie auf die Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung gerichtet sind und mit der gebotenen Sorgfalt umgesetzt wurden. Eine Abmahnung, die ins Leere läuft oder eine halbherzige Unterlassungsklage, die nicht rechtshängig werden kann, beenden die Duldung einer Rechtsverletzung nicht.

Hintergrund

Die Heitec AG ist Inhaberin des Unternehmenskennzeichens „HEITEC“ mit Priorität aus dem Jahr 1984 sowie einer gleichlautenden Unionswortmarke mit deutscher Seniorität aus dem Jahr 1991. Im Jahr 2008 erlangte die Heitec AG erstmals von der Anmeldung und Benutzung einer Unionsmarke mit dem Wortbestandteil „Heitech“ durch die Heitech Promotion GmbH Kenntnis, woraufhin sie diese im Jahr 2009 abmahnte. Als Reaktion auf die Abmahnung schlug die Heitech Promotion GmbH eine Koexistenzvereinbarung vor. Nachdem es in der Folgezeit keine weitere Korrespondenz zwischen den Parteien gab, erhob die Heitec AG drei Jahre später, nämlich am 31.12.2012 beim Landgericht Nürnberg-Fürth Unterlassungsklage. Im März 2013 wies das Gericht die Klägerin auf das Ausstehen des Gerichtskostenvorschusses und der Übersendung der Klageschrift im Original hin.

Nachdem die Heitec AG im September 2013 den Abschluss einer Koexistenzvereinbarung ablehnte und stattdessen den Abschluss einer Lizenzvereinbarung anbot, ging am 30.12.2013 bei Gericht ein Verrechnungsscheck der Klägerin über die Gerichtskosten ein, sowie eine neue Klageschrift, die auf den 4.10.2013 datiert war. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass auch die ursprüngliche Klageschrift in Originalform zugestellt werden müsse, holte die Klägerin dies im Februar 2014 nach. Das Gericht wies die Klägerin sodann darauf hin, dass die in den nun übermittelten Originalen enthaltenen Anträge nicht mit denjenigen der im Jahr 2012 eingereichten Klageschrift übereinstimmten.

Das LG Nürnberg-Fürth sprach der Heitec AG einen Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wurde wegen Verwirkung zurückgewiesen. Das OLG Nürnberg führte aus, dass die Heitec AG in Kenntnis der ununterbrochenen Benutzung des Zeichens „Heitech“ durch die Beklagte in einem Zeitraum von fünf Jahren keine ausreichenden Maßnahmen zur Unterbindung der Benutzung unternommen habe. Der Duldungszeitraum von fünf Jahren sei durch die von der Heitec AG erhobene Klage nicht unterbrochen worden, da diese erst nach Fristablauf rechtshängig geworden sei. 

Hiergegen legte die Heitec AG Revision beim BGH ein. Der BGH führte aus, dass es maßgeblich auf eine richtlinienkonforme Auslegung von § 21 MarkenG ankomme, der im deutschen Recht die Verwirkung regelt. Für eine etwaige Verwirkung komme es auf die Frage an, ob die Heitec AG diese Benutzung in den fünf Jahren ab Kenntnis geduldet habe, was wiederum von der Wirkung der Klageerhebung abhängig sei. Die einschlägigen Normen beruhten auf solchen der Markenrichtlinie bzw. der Unionsmarkenverordnung (Artikel 61 UMV), sodass der BGH eine Vorlage an den EuGH für erforderlich hielt, um zu klären, ob nach den einschlägigen Unionsvorschriften auch eine Abmahnung zum Ausschluss der Duldung führe und ob es für die Berechnung der Verwirkungsfrist im Falle einer Klagelediglich auf eine verfahrenseinleitende Einreichung bei Gericht oder auf den Zugang des Schriftstückes beim Anspruchsgegner ankomme.

Urteil des EuGH (Urt. v. 19.5.2022, C-466/20)

Der EuGH entschied nun, dass es zur Unterbrechung der Duldung einer ernsthaften gerichtlichen Geltendmachung bedarf. Er führte aus, dass etwa eine Abmahnung ohne Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung die Duldung nicht beendet. Eine Verwirkung werde auch nicht durch Klageerhebung verhindert, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück zwar vor Ablauf der Verwirkungsfrist eingereicht wurde, aber aufgrund mangelnder Sorgfalt des Klägers nicht die nationalen Zustellungsanforderungen erfülle und diese Mängel erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist behoben wurden. Zwar könne grundsätzlich auch bereits eine Abmahnung die Verwirkungsfrist unterbrechen, allerdings gelte dies lediglich dann, wenn diese Abmahnung in eine förmliche Geltendmachung münde. Es müsse sich eine gewisse Ernsthaftigkeit der Rechtsverfolgung manifestieren, aus der unzweideutig hervorgeht, dass sich der Rechtsinhaber gegen die Rechtsverletzung wehren möchte.

Sei es zur Verwirkung gekommen, so stehe dies auch der Geltendmachung von Folgeansprüchen entgegen. Maßgebliche Berücksichtigung fand bei der Entscheidung der Erwägungsgrund Nr. 12 der Markenrichtlinie, wonach der Rechtssicherheit der Wirtschaftsteilnehmer eine besondere Bedeutung zukomme und diese darauf vertrauen können sollten, von einem die Benutzung eine „längere Zeit“ duldenden Markenrechtsinhaber nicht mehr in Anspruch genommen werden zu können. Die Dauer dieser längeren Zeit wird von Art. 9 der Markenrichtlinie in zulässiger Weise auf fünf Jahre konkretisiert. Denselben Zeitraum setzt auch der die Verwirkung durch Duldung regelnde Art. 54 der Unionsmarkenverordnung an.

Auswirkungen:

Der EuGH verdeutlicht, dass lediglich eine ernsthafte Rechtsverfolgung die Verwirkungsfrist unterbricht. Zwar könne diese Unterbrechung somit auch bereits durch die Zustellung einer Abmahnung erfolgen, allerdings bedürfe es im Folgenden auch zwingend solcher Schritte, die eine rechtsverbindliche Beendigung des Rechtsstreits über die vermeintliche Kennzeichenverletzung gerichtet sind. Ein bloßes „Säbelrasseln“ wird somit künftig nicht (mehr) für die Unterbrechung der Verwirkungsfrist genügen. Eine Klage als eine auf die rechtsverbindliche Beendigung der Kennzeichenverletzung gerichtete Maßnahme müsse jedenfalls den Anforderungen des nationalen (Prozess-) Rechts genügen. Von besonderer Bedeutung ist dabei nicht lediglich eine fristgerechte Verfahrenseinleitung, sondern auch die gebotene Sorgfalt, damit einer fristgerechten Rechtshängigkeit nichts im Wege steht.

Die Frage, die offen bleibt ist, ob die nach einer Abmahnung erfolgten Verhandlungen zur Beendigung des Rechtstreits dazu führen, dass die fünfjährige Verwirkungsfrist unterbrochen wird. Der vom EuGH gewählte Wortlaut deutet darauf hin, dass dies der Fall sein könnte, wenn der Inhaber der älteren Rechte aktiv auf eine Lösung hingewirkt hat. Sollte der die Verhandlungen aber, wie auch in diesem Fall, nicht weiterverfolgt haben, dann helfen solche Einigungsverhandlungen nach Abmahnung nicht.

Dieser Ansatz des EuGH auf eine aktive Verfolgung eines Anliegens wurde bereits so schon vom Gerichtshof im Rahmen der Berufung auf einen Rechtfertigungsgrund für die Nichtbenutzung einer Marke im Rahmen des Artikel 18 UMV  zugrunde gelegt (EuGH in Sachen C-668/17 P, Boswelan) und wurde hier erneut angewandt.

Verfasst von Andreas Renck und Thorsten Klinger

 

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