Wird es jetzt kalt im Betrieb? – Mit Vollgas Energiekosten sparen

Angesichts der Energiekrise und drohenden Gasengpässen dürften Unternehmen sich die Frage stellen, wie im betrieblichen Ablauf Energiekosten eingespart werden können und welche Maßnahmen sie im Fall von Betriebsstörungen aufgrund von Energie- und Gasmangel gegenüber ihren Mitarbeitenden ergreifen können. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Fragen, ob Arbeitgebende die Raumtemperatur senken bzw. erhöhen, Mitarbeitende ins Home Office oder in Kurzarbeit schicken können bzw. dürfen

Unternehmen mit hohem Energiebedarf fragen sich derzeit, ob überhaupt noch ausreichend Energie zur Verfügung stehen wird, um die Produktion oder den Betrieb weiterzuführen. Etwaige Strategien zur Drosselung der Produktion oder zur Einsparung von Energie würden natürlich auch die Mitarbeitenden betreffen.

Können Arbeitgebende die Raumtemperatur senken bzw. erhöhen, um im Betrieb Energiekosten zu sparen?

Grundsätzlich ist es die Pflicht der Arbeitgebenden, am Arbeitsplatz für eine „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperatur zu sorgen. Was dies bedeutet, wird in arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften definiert (vgl. § 3 ArbStättV i.V.m. Ziff. 3.5 Abs. 1 des Anhangs zur ArbStättV i.V.m. der Richtlinie „Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.5 Raumtemperatur“). Demnach gilt für Arbeitsräume, dass bei überwiegend sitzender Tätigkeit eine Mindesttemperatur von 20 Grad (bei leichter Arbeit) und 19 Grad (bei mittelschwerer Arbeit) nicht unterschritten werden darf. Wenn die Arbeit überwiegend im Stehen und/oder Gehen ausgeübt wird, dürfen bei leichter Arbeit 19 Grad, bei mittelschwerer Arbeit 17 Grad und bei schwerer Arbeit 12 Grad nicht unterschritten werden. Für sonstige Räume (z.B. Pausen-, Bereitschafts- oder Sanitärräume) muss die Lufttemperatur während der Nutzungsdauer mindestens 21 Grad betragen, in Waschräumen (mit Duschen) sogar 24 Grad. Gegebenenfalls eröffnen sich über die geplante Gaseinsparverordnung neue Spielräume für Arbeitgebende, die Temperaturen weiter zu reduzieren. Werden diese Werte nicht erreicht, weil beispielsweise die Heizung ausfällt, müssen Arbeitgebende Maßnahmen ergreifen, um die vorgeschriebenen Mindesttemperaturen zu erreichen oder um angemessene Arbeitsbedingungen zu gewährleisten (z.B. durch Aufstellen von Wärmestrahlern, Stellen geeigneter Kleidung).

Angesichts der hohen Sommertemperaturen sollten Arbeitgebende bereits heute überlegen, präventiv durch Abstellen von Klimaanlagen Energiekosten zu sparen. Am anderen Ende der Temperaturskala schreiben die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich eine Maximaltemperatur von 26 Grad in Arbeitsräumen vor. Beträgt die Außenlufttemperatur über 26 Grad und steigt damit auch die Lufttemperatur im Arbeitsraum auf über 26 Grad, müssen Arbeitgebende zusätzliche Maßnahmen (z.B. effektive Steuerung des Sonnenschutzes und der Lüftungseinrichtung, Lüftung in den Morgenstunden, Nutzung von Ventilatoren) ergreifen. Ab Raumtemperaturen von über 35 Grad ist der Raum ohne technische und organisatorische Maßnahmen sowie persönliche Schutzausrüstung nicht als Arbeitsraum geeignet (Ziff. 4.4 der Richtlinie „Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.5 Raumtemperatur).

Mitarbeitende könnten bei zu niedrigen oder zu hohen Temperaturen versuchen, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten. Das lässt die Rechtsprechung aber nur dann zu, wenn Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Vorgaben einen gewissen Schweregrad haben (BAG, Urteil v. 28. Juni 2018 – 2 AZR 436/17). Eine zu niedrige Raumtemperatur dürfte in der Regel nicht so schwer wiegen, dass die Mitarbeitenden die Arbeit verweigern dürfen. Frieren ist zwar unangenehm, führt aber in der Regel nicht zu nachhaltigen Schäden. Auf der anderen Seite dürfte auch eine zu hohe Raumtemperatur in der Regel nicht zu einem Leistungsverweigerungsrecht der Mitarbeitenden führen, da solche Temperaturspitzen in der Regel eher kurzfristig sind. Allerdings wird es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommen (z.B. wie hoch oder niedrig die Temperatur ist).

Kommen Arbeitgebende ihren Pflichten nicht nach, könnten Mitarbeitende auf die Idee kommen, die Maßnahmen selbst vorzunehmen und entsprechende Ausrüstung anzuschaffen. Hierfür können sie unter Umständen Kostenerstattung vom Arbeitgebenden verlangen, wenn die Anschaffung zum Ausüben der Tätigkeit erforderlich war (§ 670 BGB analog). Solche Ansprüche dürften nur in Ausnahmefällen mit in Betracht kommen. Gegen Schadensersatzansprüche für eingetretene „Temperaturschäden“ dürfte durch den Haftungsausschluss in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt sein (§ 104 SGB VII). Im Übrigen stellen Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden können (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG i.V.m. ArbStättV).

Können Arbeitgebende das Warmwasser in Toilettenbereichen abstellen?

Als weitere Einsparmaßnahme könnten Arbeitgebende daran denken, das Warmwasser in Toilettenbereichen abzustellen, um so Energie/Gas für das Aufheizen von Wasser zu sparen. Arbeitsschutzrechtlich ist das grundsätzlich nicht verboten. Warmwasser muss nur „bei Bedarf“ bereitstehen (vgl. Ziff. 5.4 Abs. 2 Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A4.1 Sanitärräume). Die Möglichkeit, sich mit kaltem Wasser die Hände zu waschen, ist i.d.R. ausreichend (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 8. Oktober 2018 – 1 A 51/16). Ein Bedarf für warmes Wasser mag zum Beispiel bei Arbeiten mit Lebensmitteln erforderlich sein.

Können Arbeitgebende die Mitarbeitenden ins Home Office schicken, um im Betrieb Energiekosten zu sparen?

Als Möglichkeit im Betrieb Energiekosten zu sparen, wird in Wirtschaft und Politik das Home Office diskutiert. Würden die Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten, müssten viele Büroflächen und Gebäude nicht mehr beheizt werden. Außerdem könnte durch den fehlenden Weg zur Arbeit Energie eingespart werden.

Wie wir bereits in der Corona-Pandemie gelernt haben, können Arbeitgebende ihre Mitarbeitenden nicht einseitig in das Home Office schicken. Dies geht nur, wenn sich Arbeitgebender und Mitarbeitender einvernehmlich auf die Home Office Tätigkeit einigen oder es eine gesetzliche Grundlage (z.B. durch die angekündigte Gaseinsparverordnung) gibt. In Betrieben mit Betriebsräten haben außerdem die Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobilen Arbeitens mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG).

Auch falls etwa die Heizung im Betrieb komplett ausfällt, dürfte eine einseitige Anordnung des Arbeitgebenden von Home Office nicht zulässig sein. Denn auch in diesem Extremfall genießt das Home Office als Privatbereich des Mitarbeitenden einen besonderen Schutz. Möglich bleibt aber trotzdem, das Arbeiten aus dem Home Office auf freiwilliger Basis anzubieten. Seit der Corona-Pandemie hat sich der Anteil mobilen Arbeiten bei Bürotätigkeiten erheblich erhöht. Eine Ausweitung dürfte hier auf freiwilliger Basis gut möglich sein. Da die Energiekosten auch für die Mitarbeitenden gestiegen sind, wird dies die Frage nach der Erstattung von Kosten aufwerfen.

Eine Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause oder einem anderen mobilen Arbeitsplatz ist dagegen nicht für standortgebundene Tätigkeiten insbesondere in der Produktion nicht möglich. Aber zumindest bei Verwaltungstätigkeiten könnte sich auch im Produktionsbetrieb die Einführung oder Ausweitung von Home Office anbieten.

Müssen Arbeitgebende die Gehälter ihrer Mitarbeitenden weiterzahlen, wenn der Gashahn abgedreht wird?

Insbesondere für Betriebe, deren eigene Produktion oder die vorgelagerte Produktion entlang der Lieferkette auf konstanten Gasfluss angewiesen ist, könnte es zukünftig zu einem Produktionsstopp kommen und damit eine zumindest vorübergehende Betriebsstilllegung unumgänglich werden.

Grundsätzlich tragen Arbeitgebende das Betriebsrisiko und sind zur weiteren Vergütungszahlung verpflichtet, unabhängig davon, ob die Strom- oder Gasversorgung unterbrochen wird (§ 615 S. 1 BGB). Auch das wirtschaftliche Risiko, dass die Arbeitsleistung für sie aufgrund gestiegener Energiekosten wirtschaftlich sinnlos wird, haben sie zu tragen.

Wird jedoch von staatlicher Seite die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen und einigen Unternehmen kein Gas mehr zur Verfügung gestellt, könnte die Lage anders beurteil werden. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Unternehmen, das seinen Betrieb aufgrund staatlicher Verfügung schließen muss, das wirtschaftliche Risiko des Arbeitsausfalls nicht trägt (BAG, Urteil v. 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21). Hier verwirkliche sich nicht das in einem bestimmten Betrieb angelegte Risiko, vielmehr gehe es um die Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. In einer späteren Entscheidung bestätigte das Bundesarbeitsgericht, dass der Zweck der behördlichen Maßnahme maßgeblich für die Frage sei, ob der Arbeitgebende das Entgeltrisiko trägt (BAG, Urteil v. 4. Mai 2022 – 5 AZR 366/21). Auch das „Abdrehen“ des Gashahns in einem Betrieb, der auf Gaslieferungen angewiesen ist, könnte von der Rechtsprechung als ein solcher hoheitlichen Eingriff gewertet werden. Höchstrichterlich geklärt werden wird das aber vermutlich erst in zwei bis drei Jahren. Auch das haben wir aus der Corona-Pandemie gelernt.

Können Arbeitgebende ihre Belegschaft in Kurzarbeit schicken, wenn der Gashahn abgedreht wird?

Auch Kurzarbeit könnte – wie schon in der Corona-Pandemie – als Überbrückungsmechanismus Abhilfe schaffen, um Arbeitgebende zu entlasten und gleichzeitig Arbeitsplätze zu erhalten. Voraussetzung ist eine wirksame arbeitsrechtliche Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit. Entscheidend ist zudem, ob Kurzarbeitergeld in dieser Situation bezogen werden kann (§§ 95 ff. SGB III). Voraussetzungen der Gewährung von Kurzarbeitergeld ist u.a., dass der Arbeitsausfall auf wirtschaftliche Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht sowie vorübergehend und unvermeidbar ist. Es wird sich erst zeigen müssen, ob der Arbeitsausfall als durch solche wirtschaftlichen Gründe bedingt von der Bundesagentur für Arbeit anerkannt wird, wenn der Arbeitsausfall auf der Einstellung von Produktion zur Einsparung von Energiekosten im Unternehmen oder in einem vorgelagert tätigen Unternehmen in der Lieferkette beruht. Zudem ist noch nicht absehbar, ob hier das Merkmal „vorübergehend“ zu bejahen ist bzw. wann und ob die Energiepreisentwicklung eine Rückkehr zur Normalarbeit erlauben wird. Sollte es hingegen im Wege eines staatlich regulierenden Eingriffs zu Unterbrechungen und Ausfällen der Gaslieferung kommen, stehen die Chancen auf Gewährung von Kurzarbeitergeld gut. Schließlich definiert das Gesetz behördliche Maßnahmen, die den Arbeitsausfall verursachen, als unabwendbares Ereignis. Klarstellende Regelungen oder klare Aussagen der Bundesagentur für Arbeit könnten den Unternehmen hier mehr Klarheit bringen, um ihre Handlungsspielräume zu beurteilen.

Nächste Schritte:

Arbeitgebende sollten bereits jetzt Maßnahmen zur Energieeinsparung prüfen und umsetzen. Hierfür ergibt sich wegen gestiegener Kosten und drohender Engpässe ein besonders dringlicher Bedarf. Auch aus Gründen des Klimaschutzes sind die Fortführung bestimmter Energiesparmaßnahmen auch über die Energiekrise hinaus aus gesellschaftspolitischer Sicht begrüßenswert. Für Maßnahmen, die im Betrieb greifen, müssen die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden. In Teilen werden auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen sein. Die Einbindung des Betriebsrats und seine Begleitung von Einsparmaßnahmen wird die Akzeptanz in der Belegschaft erhöhen.

Des Weiteren muss das gesetzgeberische Verhalten weiter beobachtet werden. Vorgaben zum Beheizung und Kühlen von Büroflächen und zum Home Office sind hier in Diskussion. Zum anderen bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit zum erleichterten Bezug von Kurzarbeitergeld, die Ende September 2022 ausläuft, verlängern wird. Möglicherweise wird es zu Klarstellungen von Seiten der Bundesagentur für Arbeit kommen, in welchen (Gas-) Notlagen die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllt sind.

 

 

Verfasst von Dr. Lars Mohnke, Dr. Charlotte Baecker und Sophia Gottschlich, LL.M. (Bristol)

 

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