Handel mit CO²-Emissionen am Kapitalmarkt

Der Markt für Emissionsminderungsgutschriften entwickelt sich

Die europäische Kommission plant bis 2050 klimaneutral zu sein. Bis 2030 soll eine Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen von mindestens 55% im Vergleich zu 1990 stattfinden. Die Taskforce on Scaling Voluntary Carbon Markets hat im Januar 2021 ein Konzeptpapier zum Handel von privatwirtschaftlichen Emissionsminderungsgutschriften am Kapitalmarkt vorgestellt.

Einleitung

Zur Bekämpfung des Klimawandels wird unter anderem mit der Verringerung von Emissionen von Treibhausgasen reagiert. Die europäische Kommission plant bis 2050 klimaneutral zu sein. Bis 2030 soll eine Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen von mindestens 55% im Vergleich zu 1990 stattfinden.
Eine Möglichkeit, eigene Emissionen zu reduzieren, ist der Kauf von Zertifikaten zur Kompensation dieser Emissionen („Emissionsminderungsgutschriften“). Mit ihnen werden weltweit Klimaprojekte finanziert, die Treibhausgase einsparen oder absorbieren. Grundgedanke dieser Emissionsminderungsgutschriften ist, dass Treibhausgase global und unabhängig vom Ort ihrer Entstehung reduziert werden. Projektbeispiele für entsprechende Klimaprojekte sind Moorvernässungen, Bewaldung, Verhinderung von Entwaldung, Aufbau von Wind- und Solarstromkapazitäten.
Diese privatwirtschaftlichen Emissionsminderungsgutschriften sind nicht zu verwechseln mit dem staatlich geregelten Handel von Emissionsberechtigungen, in dem eine Gesamtmenge von Emissionen für Staaten oder für verpflichtend teilnehmende Unternehmen bestimmt wird und die Unternehmen die Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen ("Emissionsberechtigung") untereinander handeln können (cap and trade).
Bei einer entsprechenden Ausgestaltung kann auch der Kapitalmarkt, ähnlich wie bei den Emissionsberechtigungen, einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung der den privatwirtschaftlichen Emissionsminderungsgutschriften zugrundeliegenden Klimaprojekten leisten.
Um die Qualität und Fungibilität des freiwilligen Markts zu verbessern und damit auch das Handelsvolumen mit Emissionsminderungsgutschriften auszuweiten, wurde auf der Davos Agenda im Januar 2021 von der Taskforce on Scaling Voluntary Carbon Markets („Taskforce“) einen umfassenden Strategieplan vorgestellt.  Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein leistungsfähiger Markt für Emissionsminderungsgutschriften für einen flüssigen Austausch zwischen (selbst-)Verpflichteten Akteuren und Projektentwicklern sorgen könnte. Je effektiver der Markt, desto besser lassen sich Klimaschutzprojekte finanzieren und planen.

Herausforderungen für den Handel mit Emissionsvorschriften

Der Markt für Emissionsminderungsgutschriften ist derzeit jedoch stark fragmentiert, dies gilt insbesondere für den Sekundärmarkt. Es gibt noch keine einheitlichen Zertifikate und Börsenprodukte für diesen freiwilligen Markt. Hinzu kommt eine geringe Markttransparenz und Datenlage. Dementsprechend schwierig ist es, den Kaufpreis für Emissionsminderungsgutschriften im Vergleich zum „Marktwert“ wirtschaftlich zu bewerten.

Dem Markt für Emissionsminderungsgutschriften stellen sich aktuell folgende Herausforderungen: Unklare Regulierung, wenige branchenübergreifende Verpflichtungen zur Einsparung von Emissionen, potenziell schlechte Berichterstattung bei Fehlgehen der Kompensation, geringes Wissen und Verständnis über freiwillige Kompensationen.
Insgesamt betrachtet gibt es auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 also noch viele Markthemmnisse für die Verwendung von und insbesondere den Handel mit Emissionsminderungsminderungsgutschriften. Entsprechend groß ist auf der anderen Seite das Potenzial, wenn die Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden.

Taskforce on scaling voluntary carbon markets

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde auf Bestreben des privatwirtschaftlichen Finanzsektors im September 2020 die Taskforce gegründet. Auf Basis eines breiten Konsultationsprozesses unter den Mitgliedern und Experten im Winter 2020 wurde Anfang 2021 ein umfassender Strategieplan zur Förderung des Marktes veröffentlicht.
Der Taskforce gehören rund 50 Mitglieder an, die von über 140 Experten und NGOs unterstützt werden. Unter den Mitgliedern sind Käufer und Verkäufer von Emissionsminderungsgutschriften, Anbieter von Standards und Umweltorganisationen sowie institutionelle Kapitalmarktakteure und Infrastrukturanbieter. Die Taskforce wird zudem vom Institute of International Finance unterstützt.

Vorschläge der Taskforce

Die Taskforce hat in ihrem Strategieplan die nachfolgend dargestellten sechs Aktionspunkte identifiziert, die für einen liquiden Markt mit Emissionsminderungsgutschriften gewährleistet sein müssen.

Systematisierung von CCP

Grundlage des Marktes soll zunächst eine Standardisierung sein. Sogenannte Core Carbon Principles („CCPs“) sollen Mindestanforderungen für Emissionsminderungsgutschriften und die zugrundeliegenden Projekte definieren. Diese CCPs sollen dabei an feste Regeln und Sanktionen gebunden werden, um die Systematik des Handels abzusichern.

Referenzverträge

Die CCPs sollen die Grundlage für Referenzverträge werden, die, als Finanzinstrument an Spot- und Terminmärkten an Börsen wie etwa der European Energy Exchange („EEX“) gehandelt werden könnten. Die EEX hält eine Eröffnung des Handels zum Ende 2021 für möglich. Dabei könnten Erfahrungen und bestehende Strukturen als Vorlage, auch und insbesondere für großvolumige Transaktionen, verwendet werden.
Der OTC-Handel würde von einer solchen Entwicklung ebenfalls profitieren, indem tagesaktuelle Börsenkurse Ausgangspunkt für individuelle Produkte würden, z.B. unter Einbeziehung spezieller Projekterfolge.
Die strukturierte Finanzierung von Projektentwicklern könnte vermehrt von Banken gefördert werden, z.B. indem Darlehen durch fungible Emissionsminderungsgutschriften (mit-)besichert werden.
Andererseits soll es langfristig leichter möglich sein, von Banken Fremdfinanzierung für Klimaschutzprojekte zu erhalten. Der Zugang zum Markt könnte dabei über bestehende Banken als Intermediär oder auch eigene „Emissions“-Banken erfolgen.

Infrastruktur

Zum Aufbau einer zuverlässigen und liquiden Infrastruktur gehört nach dem Strategieplan die Integration von Market Makern, OTC- und Börsen-Händlern sowie Clearinghäusern. Zentral ist außerdem der Ausbau einer Dateninfrastruktur. Notwendig sei die Verfügbarkeit von Daten über die bestehenden Register der bereits bestehenden einzelnen Standards hinweg und ihre Auswertungsmöglichkeiten als Informationsquelle für Handelsteilnehmer, Börsen und (staatliche) Registrierungsstellen.
Durch die vereinfachte Datenauswertung soll die Registrierungszeit für Projekte von derzeit bis zu 15 Monaten auf 6 Wochen reduziert werden können. Die Taskforce und der Gold Standard  sehen hierfür die Blockchain-Technologie als vielversprechendstes Werkzeug. Für den OTC-Markt könnten geeignete Preisagenturen mehr Transparenz und Referenzpunkte schaffen.

Anerkennung

Wichtig ist nach dem Strategieplan zudem die bilanzielle Einstufung von Emissionsminderungsgutschriften. Emissionsberechtigungen aus dem staatlichen Verpflichtungsmarkt werden nach Maßgabe der International Financial Reporting Standards als unkörperliche Vermögensgüter unter den Aktiva bilanziert. Emissionsminderungsgutschriften werden dagegen derzeit als Ausgaben passiviert und wirken sich somit bilanziell und steuerlich, insbesondere im Insolvenzfall, anders als Emissionsberechtigungen aus. Die zukünftige Form der Bilanzierung soll von der Task Force in Zusammenarbeit mit dem International Accounting Standards Board erörtert werden.
Für einen notwendigen Konsens in der öffentlichen Meinung über die Berechtigung der Kompensation von Treibhausgasen, sollen Prinzipien, die Unternehmen auch zur Minderung des eigenen Ausstoßes von Treibhausgasen im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens anregen, helfen,
Der Akzeptanz von Emissionsminderungsgutschriften in der öffentlichen Meinung soll eine öffentliche und transparente Berichterstattung über die Hindernisse und Fortschritte dienen. Dem sollen insbesondere Standardformulare für Klimaschutzprojekte dienen. Mögliche Inhalte eines solchen Formulars sind Qualitäts- und Quantitätsmerkmale, Jahr der Reduktion, Projekttypen und Standards.

Marktintegrität

Zudem soll der Prozess der Verifikation von Klimaschutzprojekten unter Wahrung der Integrität des Marktes effizienter und schneller ausgestaltet werden. Missbrauch und insbesondere Geldwäsche sind dabei zu verhindern. Der Strategieplan schlägt daher unter anderem einheitliche Regeln zur Überwachung der Projekte und Überwachung der Marktteilnehmer, auch und gerade durch staatliche Stellen, vor. Diese können bei Verstößen rechtliche Sanktionen durchsetzen.

Nachfrage

Zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist es notwendig, den globalen CO²-Ausstoß von rund 36 Gt-CO²-Äquivalenten p.a. bis 2050 auf Netto-Null abzusenken. Meilenstein für die Erreichung dieses Ziels ist die Halbierung des Ausstoßes bereits im Jahr 2030, da davon auszugehen ist, dass die verbleibenden 50% des Ausstoßes deutlich schwieriger zu vermindern sein werden. Vor diesem Hintergrund hat die Industrie in vielen Bereichen bereits Emissionsminderungszusagen bis zu diesen Zeitpunkten gemacht. Aus diesen Zusagen resultiert bereits eine Nachfrage für entsprechende Produkte, die mit einem entsprechenden Angebot zusammengeführt werden muss. Die soll durch geeignete Anlageprospekte, kürzere Vertriebswege und Werbung für ein Labeling geschehen. Damit einhergehend fordert der Strategieplan der Task Force verbesserte Kaufanreize für potentielle Investoren. Dazu gehört u.a. ein standardisierter Mechanismus zur Anzeige des Angebots und der Nachfrage nach Emissionsminderungsgutschriften.

Ausblick

Die freiwillige Kompensation eigener Emissionen bringt viele Vorteile. Unternehmen können damit eine aktive Rolle bei der Bekämpfung der globalen Herausforderung des Klimawandels spielen. Nachhaltigkeit wird mittel- und langfristig das bestimmende Thema bleiben. Zudem sind Maßnahmen zum Klimaschutz Bestandteil der 17 Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung
Seit 2005 befindet sich der Markt für freiwillige Kompensation im stetigen Wachstum. Insbesondere in den letzten zwei Jahren berichten Kompensationsdienstleister von einem erheblichen Anstieg der Investitionen.  Einer aktuellen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes zufolge liegen die Gründe insbesondere im weltweit steigenden Bewusstsein von Unternehmen und der Gesellschaft für den Klimawandel, der sich unter anderem durch die Fridays For Future-Bewegung zeige. 
Zudem nehme das technische Verständnis der Kompensation von Emissionen zu, was wesentlich zu deren Akzeptanz beitrage. Von einem weiteren Bedeutungsanstieg der freiwilligen Kompensationen ist auszugehen. Emissionsminderungsgutschriften stellen dabei ein bewährtes und wirksames Instrument dar, um nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren.
Der Markt für Emissionsminderungsgutschriften ist aktuell jedoch noch sehr fragmentiert und intransparent. Sehr viele verschiedene Standards und Anbieter führen zu einer relativ breiten Streuung der Effektivität und Preisgestaltung und verhindern damit einen liquiden Markt. Viele Emissionsminderungsgutschriften sind weitestgehend an die tatsächlichen Einsparungskosten gebunden. Bei erfolgreicher Implementierung der Maßnahmen der Taskforce ist zu erwarten, dass ein großes Marktpotenzial freigeschaltet und einem besseren Austausch von Angebot und Nachfrage zugeführt wird. Damit wird unmittelbar die Entwicklung entsprechender börslicher und außerbörslicher Märkte eihergehen.

 

 

Sven Brandt und Sebastian Oebels.

 

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