Rundfunkveranstalter haften nur für grob und offenkundig unzulässige Werbung

Rundfunkveranstalter haften nur für Werbung, die grob und offenkundig unzulässig ist. Die Arbeit der Fernsehsender dürfe durch weitreichende Prüfungspflichten im Interesse der Presse- und Rundfunkfreiheit nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Dies entschied der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az. I ZR 194/20).   

Sachverhalt

Die Beklagte ist die Holdinggesellschaft einer Mediengruppe, zu der mehrere Rundfunkveranstalter mit diversen Fernsehsendern gehören. Für ihre Tochterunternehmen übernimmt die Beklagte auf Grundlage von Kooperationsvereinbarungen zudem die Rechtsberatung. Die Tochterunternehmen der Beklagten strahlten in der Zeit von Juni 2018 bis Februar 2019 verschiedene Werbespots aus, in denen für Casino- und Automatenspiele auf mehreren Internetseiten geworben wurde. Bei den Internetseiten handelte es sich um Seiten mit der Top-Level-Domain „.de“. Die Anbieter der beworbenen Online-Spiele besaßen eine Lizenz für Online-Casinospiele im Gebiet des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Eine Lizenz für weitere Bundesländer besaßen die Betreiber hingegen nicht. Internetnutzer, welche sich auf den Seiten mit einem Wohnsitz außerhalb von Schleswig-Holstein registrierten, wurden daher auf weitgehend identisch aufgemachte Webseiten mit der Top-Level-Domain „.com“ weitergeleitet. Allerdings waren mangels Lizenz auch die „.com“-Angebote in Deutschland verboten.

Die Beklagte wurde daher von der Klägerin, einem Interessenverband von Glücksspielunternehmen, hinsichtlich der Werbung mit unerlaubtem Glücksspiel abgemahnt. Derartige Werbung sei gem. §§ 4 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 5 des Glücksspielstaatsvertrags vom 15. Dezember 2011 (GlüStV) verboten und stelle gem. §§ 3, 3a UWG eine unlautere Handlung dar. Die von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung gab die Beklagte nur mit geändertem Wortlaut ab, woraufhin die Klägerin vor dem Landgericht Köln Klage erhob – mit Erfolg. Sowohl vor dem LG Köln als auch in der darauffolgenden Berufung vor dem OLG Köln unterlag die Beklagte. Über die Revision der Beklagten hatte nun der BGH zu entscheiden.

Entscheidung

Der BGH hob das Urteil auf und wies die Sache teilweise zurück. Zunächst führt der BGH aus, dass die Bestimmungen in den Glücksspielstaatsverträgen zum Verbot und zur Beschränkung von Glücksspielwerbung Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG seien. Der BGH bejaht zudem, dass die Beklagte eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht in Form einer Prüfungspflicht treffe. Diese Prüfungspflicht, die u.a. eine Prüfung der ausgestrahlten Fernsehspots beinhalte, habe die Beklagte aufgrund der Kooperationsvereinbarungen zur Rechtsberatung von ihren Tochterunternehmen übernommen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe die Beklagte diese Prüfungspflicht allerdings nicht verletzt, so der BGH. Denn Rundfunkveranstalter wie die Tochterunternehmen der Beklagten seien vom Schutzbereich der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfasst. Um die Pressefreiheit zu gewährleisten und die Arbeit der Rundfunkveranstalter nicht über Gebühr zu erschweren, bestehe nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht, die sich auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße beschränke. Einer weitergehenden Prüfungspflicht könne dann auch die Beklagte nicht unterliegen, welche die Pflicht von ihren Tochterunternehmen übernommen hat.

Grundsätzlich könne zwar der Hinweis in einer Abmahnung auf ein vermeintlich wettbewerbswidriges Verhalten zur Verletzung einer Prüfungspflicht führen, wenn eine danach zumutbare Prüfung ergeben hätte, dass durch die strittige Handlung ein rechtswidriges Verhalten gefördert werde. In welchem Umfang dem in Anspruch Genommenen eine Prüfung zugemutet werden könne, richte sich aber nach den Umständen des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall sei daher zu berücksichtigen, dass im Interesse der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) die Arbeit der Tochterunternehmen nicht unverhältnismäßig erschwert werden dürfe. Zur Feststellung eines Rechtsverstoßes habe es im vorliegenden Fall aber einer eingehenden rechtlichen Überlegungen und umfassenden Würdigung der tatsächlichen Umstände bedurft. Eine derart weitreichende Prüfung sei aber nicht zumutbar gewesen – auch nicht auf die Abmahnung hin, welche die Umstände nur teils wiedergegeben habe.

Fazit

Der BGH gibt zu erkennen, dass eine Abmahnung grundsätzlich eine Prüfungspflicht auslösen kann. Insbesondere im Bereich der Rundfunk- und Presseunternehmen ist jedoch zu berücksichtigen, dass diesen aufgrund der Rundfunk- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nur eine eingeschränkte Prüfpflicht zugemutet werden kann. Hierbei ist daher insbesondere auch zu berücksichtigen, wie offensichtlich sich der Rechtsverstoß aus der Abmahnung ergibt und ob die Rechtslage und die tatsächlichen Umstände vom Abmahnenden bereits umfassend aufgearbeitet und dem Abgemahnten präsentiert wurden.

Verfasst von Yvonne Draheim und Patrick Fromlowitz.

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