Trademark Insight - Januar 2023

Aktuelle markenrechtliche Entscheidungen aus Deutschland, Alicante und Luxemburg

Liebe Leserinnen und Leser,

in der Januar-Ausgabe des TRADEMARK INSIGHT stellen wir Ihnen Zusammenfassungen zu Entscheidungen deutscher Oberlandesgerichte, des BPatG, der EUIPO-Beschwerdekammern und des EuG vor. Besonders interessant dürften die Entscheidungen zur prozessualen Eigenständigkeit der unionsmarkenrechtlichen Widerklage, aber auch zur Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung durch einen Vertriebspartner und zur Erschöpfung von Markenrechten beim reboxing und relabelling sein.

Wir freuen uns über Ihr Feedback und Anregungen per E-Mail an  trademark.insight@hoganlovells.com

Eine nützliche Lektüre wünschen Ihnen
 

Thorsten Klinger und Dr. Andreas Renck

 

Prozessuale Eigenständigkeit der unionsmarkenrechtlichen Widerklage (EuGH)

Dem Vorabentscheidungsverfahren liegt ein Rechtsstreit über die Berechtigung zur Benutzung der Unionswortmarke „Apfelzügle“ zugrunde. Diese Marke ist zu Gunsten des Obsthof Neuhaus beim EUIPO für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 eingetragen. Dieser wendete sich gegen die Benutzung der Bezeichnung „Apfelzüglefahrt“ durch den Obsthof Uwe Specht und die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen und klagte vor dem LG München auf Unterlassung.

Die Beklagten erhoben daraufhin Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit der Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft. Während die Markeninhaberin ihre Klage in der mündlichen Verhandlung zurücknahm, hielten die Beklagten an ihren Widerklagen fest. Das LG München hielt diese Klagen für zulässig und hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 41 für begründet, weshalb sie die Marke für teilnichtig erklärte.

Gegen diese Entscheidung ging die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen vor dem OLG München in Berufung, wo sie die vollständige Nichtigerklärung der Marke begehrte. Das OLG München äußerte vor dem Hintergrund der erfolgten Klagerücknahme Zweifel an der Zulässigkeit der Widerklage. Es sei unklar, ob das angerufene Landgericht als Unionsmarkengericht auch nach Rücknahme der Verletzungsklage über die Widerklage entscheiden dürfe. Die Erklärung der Nichtigkeit einer Unionsmarke sei grundsätzlich dem Amt vorbehalten, Art. 63 Abs. 1 UMV. Außer in den ausdrücklich hierfür vorgesehenen Fällen seien nationale Gerichte nicht zur Erklärung der Nichtigkeit befugt.

Zwar werde in der deutschen Rechtslehre überwiegend vertreten, dass mangels Regelung in der UMV deutsches Prozessrecht Anwendung finde. Danach sei die durch Widerklage begründete Zuständigkeit vom Fortbestand der Verletzungsklage unabhängig. Allerdings sei nach Rücknahme der Verletzungsklage keine Notwendigkeit der Verteidigung mehr gegeben. Die nach nationalem Prozessrecht erhobene Widerklage sei daher von der Anhängigkeit der unionsrechtlichen Verletzungsklage abhängig. Der Widerklägerin stehe es frei, vor dem EUIPO tätig zu werden. Das OLG München legte dem EuGH die folgende Frage vor:

Darf das Unionsmarkengericht selbst dann noch über die im Wege einer Widerklage geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke entscheiden, wenn die auf diese Unionsmarke gestützte Verletzungsklage zuvor wirksam zurückgenommen wurde?

Der EuGH bejahte dies und stellte die prozessuale Eigenständigkeit der Widerklage fest. Der Begriff der Widerklage sei als autonomer Begriff des Unionsrechts unionsweit einheitlich auszulegen. Wie sich u.a. aus der englischen Sprachfassung („counterclaim“) ergebe, sei unter einer Widerklage grundsätzlich eine Gegenklage zu verstehen. Dennoch handele es sich bei der Widerklage nicht lediglich um ein Verteidigungsmittel, sondern um einen eigenständigen, in seiner prozessualen Behandlung von der Klage unabhängigen Antrag der (wie vom EuGH bereits zuvor im Verfahren C-185/15 entschieden) auch dann weiterverfolgt werden könne, wenn die Klage des Klägers abgewiesen wurde.Die beim EUIPO liegende Zuständigkeit für die Gewährung oder Ablehnung einer Markeneintragung erstrecke sich nicht auch auf die Entscheidung über deren Gültigkeit. Letztere liege in gemeinsamer Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte und des EUIPO. Die Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte folge unmittelbar aus der Unionsmarkenverordnung und stelle gerade keine Ausnahme von der EUIPO-Zuständigkeit dar.

(EuGH, Urt. v. 13.10.2022, C-256/21)

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Markenmäßige Benutzung der Marke „Torjägerkanone“ (OLG Nürnberg)

Die Olympia-Verlag GmbH ist u.a. Inhaberin der deutschen Wortmarke „Torjägerkanone“,  geschützt für Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall sowie Druckereierzeugnisse in Klassen 16 und 17. Aus dieser Marke ging sie wegen des Vertriebs der unten dargestellten „Fußballpokal Torjägerkanone klein“ per einstweiliger Verfügung gegen die RE Handels GmbH  vor. Das Landgericht Nürnberg-Fürth untersagte der Verfügungsbeklagten per Urteil die Bezeichnung ihrer Waren im geschäftlichen Verkehr mit „Torjägerkanone“. Der Verfügungsklägerin stehe sowohl ein markenrechtlicher, als auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung zum OLG Nürnberg. Diese war nun erfolgreich. Das streitgegenständliche Produkt lehne sich zwar zweifellos an die Idee der Verfügungsklägerin an, Torschützenkönige mit einer Trophäe in Kanonenform auszuzeichnen, einen marken- oder lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründe dies allerdings aufgrund der Nachahmungsfreiheit nicht.

In markenrechtlicher Hinsicht stelle sich das Angebot der dargestellten Trophäe unter der Bezeichnung „Fußballpokal Torjägerkanone klein“ für die angesprochenen Verkehrskreise nicht als markenrechtliche Benutzung der Klagemarke dar. Eine relevante Benutzung sei gegeben, wenn das Zeichen als Marke verwendet werde und so die Herkunftsfunktion beeinträchtigen könne. Dies sei hier nicht der Fall. Zwar spreche die blickfangmäßige Herausstellung für eine markenmäßige Verwendung. Dagegen sprächen allerdings die deutlichen beschreibenden Anklänge. Zu berücksichtigen sei, dass militärbezogene Metaphern im Fußball üblich seien, weshalb „Torschützenkanone“ nicht völlig fernliegend sei. Eine Doppelidentität scheide ebenfalls aus, da das angegriffene Zeichen für Fußballpokale aus Kunstharz/Polyresin benutzt werde, die Klagemarke allerdings für Figuren etc. aus Metall geschützt sei.

 

Etwas anderes gelte auch nicht aufgrund einer etwaigen Bekanntheit der Verfügungsmarke, wie geltend gemacht. Zwar sei die Bezeichnung „Torjägerkanone“ dem Verkehr unstreitig bekannt. Dies allerdings bloß als Auszeichnung und nicht als Herkunftshinweis. Dem Verkehr sei unbekannt, dass die Verfügungsklägerin oder ein anderes bestimmtes Unternehmen hinter der Preisverleihung stehe.

Weiter werde die Bezeichnung durch zwei beschreibende Angaben „Fußballpokal“ und „klein“ eingerahmt, was einen generischen Eindruck schaffe. Auch die Abbildung eines Kanonenmodells und die Produktbeschreibung unterstrichen diesen beschreibenden Eindruck. Der Verkehr erkenne darin eher eine Artikel- oder Modellbezeichnung.

Schließlich greife der Einwand fehlender rechtserhaltender Benutzung. Eine reine Imagewerbung reiche insofern nicht aus. Diesen Anforderungen werde die Verfügungsklägerin nicht gerecht. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch könne letztlich auch nicht auf Lauterkeitsrecht gestützt werden, da der Verfügungsklägerin mangels Darlegung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses bereits die Aktivlegitimation fehle. Außerdem sei nicht hinreichend dargetan, dass das Verhalten der Verfügungsbeklagten als unlauter anzusehen sei.
(OLG Nürnberg, Urt. v. 25.10.2022, 3 U 2576/22)

TMIjan2

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Unterscheidungskraft einer Mustermarke (EuG)

Das Unternehmen Louis Vuitton Malletier ist Inhaberin der Unionserstreckung der unten dargestellten Marke, geschützt in Klasse 18 u.a. für Koffer, Taschen, Rucksäcke und Geldbörsen. Hiergegen stellte eine polnische Privatperson einen Nichtigkeitsantrag wegen fehlender Unterscheidungskraft. Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO gab dem Antrag in inhaltlicher Übereinstimmung mit zwei EuG-Urteilen zur originären Unterscheidungskraft ähnlicher Louis Vuitton-Muster (EuG, Urteile vom 21.4.2015, T 359/12 und T 360/12) statt und erklärte die angefochtene Marke für nichtig. Hiergegen legte die Markeninhaberin erfolglos Beschwerde ein. Aus Sicht der Beschwerdekammer besitzt das Zeichen keine originäre Unterscheidungskraft und eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft wurde nicht nachgewiesen.

Hiergegen klagte die Markeninhaberin vor dem EuG, das die Entscheidung der Beschwerdekammer aufhob. Zwar sei korrekt erkannt worden, dass es der Marke an originärer Unterscheidungskraft fehle. Allerdings seien nicht alle von der Markeninhaberin vorgebrachten Nachweise hinreichend berücksichtigt worden. Die erneut mit der Sache befasste Beschwerdekammer kam allerdings weiterhin zu dem Ergebnis, dass keine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft belegt sei.

Hiergegen klagte die Markeninhaberin erneut vor dem EuG, wo sie nun unterlag. Eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft setze voraus, dass zumindest ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die Marke als Herkunftshinweis verstehe. Fehle es der Anmeldemarke in sämtlichen Mitgliedstaaten an originärer Unterscheidungskraft, müsse eine erlangte Unterscheidungskraft auch im gesamten Unionsgebiet nachgewiesen werden. Zwar ist ein solcher Nachweis nicht gesondert für jeden einzelnen Mitgliedstaat notwendig, die Nachweise müssten aber geeignet sein, eine erlangte  Unterscheidungskraft in allen Mitgliedstaaten zu belegen und nicht nur in einem wesentlichen oder dem größten Teil des Gebiets der Europäischen Union.

Laut EuG hat die Beschwerdekammer den Nachweis einer erlangten Unterscheidungskraft für die genannten Länder zu Recht verneint. Auch das Argument, dass die Verbraucher in der EU aufgrund regelmäßiger Reisen und Internetnutzung ein homogenes Verhalten in Bezug auf Luxusmarken besäßen, wurde mangels Nachweis zurückgewiesen.

Die Beschwerdekammer sei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Markeninhaberin vorgelegten Nachweise für die Annahme einer durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft nicht genügten.  
(EuG, Urt. v. 19.10.2022, T-275/21)

TMIjanLVM

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Verwechslungsgefahr zwischen „GreenCat“ und „CAT“ (EUIPO BoA)

Das Unternehmen FRASCHETTI SPA meldete im Jahr 2020 das unten links dargestellte Zeichen „GreenCat“ beim EUIPO als Unionsmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 8 und 37 an, darunter Motorsägen, Bohrmaschinen, Wasserpumpen, Gartenwerkzeuge und verschiedene Erhaltungs- und Reparaturdienstleistungen für diverse Werkzeuge und Maschinen. Hiergegen erhob die Caterpillar Inc. Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer unten rechts dargestellten, prioritätsälteren Unionsmarke „CAT“, ebenfalls geschützt in Klassen 7, 8 und 37. Die Widersprechende machte auch Rufausbeutung geltend.

Die Widerspruchsabteilung gab dem Widerspruch aufgrund von Verwechslungsgefahr vollumfassend statt. Die Waren und Dienstleistungen seien entweder identisch oder hochgradig ähnlich. Auch bestehe Zeichenähnlichkeit. Trotz der Stilisierung mit gelbem Dreieck erkenne der Verkehr in der Widerspruchsmarke eindeutig den Wortbestandteil „CAT“ mit durchschnittlicher Kennzeichnungskraft, wohingegen dem Wortbestandteil „Green“ im Anmeldezeichen im landwirtschaftlichen Bereich lediglich eine schwache Kennzeichnungskraft zukomme. Die Katzendarstellung der Anmeldemarke unterstreiche den Wortbestandteil „Cat“. Begrifflich stimmten beide Zeichen in der Vermittlung des Gedankens an eine Katze überein. Unter dem Strich liege auch ohne Berücksichtigung der beanspruchten gesteigerten Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr vor.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin blieb ohne Erfolg. Zu Recht sei die Widerspruchsabteilung von einer Identität bzw. hohen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ausgegangen. Weiter erkannte die Beschwerdekammer eine leicht unterdurchschnittliche bildliche, eine durchschnittliche klangliche und eine hohe begriffliche Ähnlichkeit. Es könne nicht hinreichend ausgeschlossen werden, dass der Verkehr die Anmeldemarke als Variation oder als Untermarke der Widerspruchsmarke auffasse. Aufgrund der so bereits erkannten Verwechslungsgefahr bestehe kein Anlass, auch den Widerspruchsgrund der Rufausbeutung zu prüfen. Die Beschwerde sei zurückzuweisen.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 26.10.2022, R 185/2022-1)

TMIGreencatCAT

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Umfang der Auskunftspflicht bei Markenrechtsverletzungen (OLG Frankfurt)

Die Parteien streiten über die Vollstreckung einer Auskunftsverpflichtung wegen der Verletzung von Markenrechten. Das LG Frankfurt untersagte dem Antragsgegner das Inverkehrbringen schutzrechtsverletzender Schuhe. Über Hersteller, Lieferanten und/oder andere Vorbesitzer sollte zudem schriftlich Auskunft erteilt werden. Die vom Antragsgegner daraufhin erteilten Auskünfte hielt die Antragstellerin für unzureichend, weshalb das LG auf ihren Antrag hin ein Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin verhängte, gegen das sich die Antragsgegnerin sodann mit sofortiger Beschwerde wandte.

Das OLG Frankfurt bestätigte nun die Entscheidung des LG Frankfurt. Die Antragsgegnerin habe über den Vorlieferanten der Schuhe keine vollständige Auskunft erteilt. Die abgegebene Negativerklärung habe insofern nicht genügt. Wenn der (titulierte) Auskunftsanspruch mangels vollständig erteilter Auskunft noch nicht vollständig erfüllt ist, könne er im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO weiter verfolgt werden.

Dies sei hier der Fall. Die vom Antragsgegner erteilten Auskünfte ließen keine hinreichend aussagekräftigen Informationen über die Herkunft der Waren erkennen. Es falle in seinen Verantwortungsbereich, bei verbleibenden Unklarheiten Nachforschungen anzustellen und alle insoweit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Dabei genüge eine bloße telefonische Nachfrage insbesondere wegen Verständnisproblemen durch mangelnde Sprachkenntnisse regelmäßig nicht. Die Nachforschung habe stattdessen schriftlich – und nötigenfalls unter Fristsetzung wiederholt – zu erfolgen.

Sind Vorlieferanten bekannt, seien Zweifel bei diesen aufzuklären. Der Auskunftsanspruch sehe allerdings keine Nachforschungspflicht bei Dritten vor, um unbekannte Vorlieferanten zu ermitteln. Nachforschungen könnten erst dann unterbleiben, wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels feststehe, wozu substantiiert und nachprüfbar vorzutragen sei.
(OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 8.8.2022, 6 W 41/22)

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Unterscheidungskraft des Zeichens „i-mobility“ (BPatG)

Das Unternehmen iwis SE & Co. KG meldete im Jahr 2018 das Zeichen „i-mobility“ beim DPMA als Wortmarke für Waren der Klassen 7, 9 und 12 an, darunter Fahrzeuge und Beförderungsmittel. Das Amt wies die Anmeldung wegen eines Freihaltebedürfnisses zurück. Es handele sich um einen Fachbegriff mit der Bedeutung „intelligente Mobilität“ und der Begriff beschreibe ein Konzept, wonach Ressourcen ökonomisch und ökologisch optimal genutzt werden. Der Begriff müsse auch der Allgemeinheit offenstehen. Es handele sich weder um eine Wortneuschöpfung, noch um einen Begriff, der erst mit Interpretationsaufwand erfasst werden könne. Für sämtliche beanspruchte Waren erschöpfe sich das Zeichen daher in einer beschreibenden Angabe.

Hiergegen legte die Anmelderin erfolgreich Beschwerde ein. Laut BPatG ist das Anmeldezeichen nicht beschreibend, auch handele es sich nicht um eine freihaltebedürftige Angabe. Zwar werde der Bestandteil „mobility“ von den deutschen Verkehrskreisen ohne weiteres verstanden. Nicht feststellbar sei allerdings, dass der Verkehr auch in dem Bestandteil „i“ eine Abkürzung von „intelligent“  sehe. Es existiere eine Vielzahl an Wörtern, die mit „i“ abgekürzt werden, wie etwa Information, Internet und im/in. Für die angesprochenen Verkehrskreise sei nicht naheliegend, dass das „i“ für „intelligent“ stehe. Dafür bedürfe es einiger Überlegungen und interpretatorischer Zwischenschritte.

Auch habe sich die Bezeichnung „i-mobility“ bislang noch nicht als Fachbegriff etabliert. Die vorgelegten Nachweise belegten keine solche Benutzung im Inland. Die teilweise aus dem österreichischen Ausland stammenden Belege seien für einen entsprechenden Nachweis im Inland ungeeignet. Außer Betracht müsse auch die Bezeichnung „BMW i mobility service“ bleiben, da sich das „i“ hier erkennbar auf die „BMW i“-Reihe beziehe. Die Zurückweisung sei mithin zu Unrecht erfolgt. 
(BPatG, Beschl. v. 25.8.2022, 30 W (pat) 46/20)

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Verwechslungsgefahr zwischen zwei Tierkopfmarken (EuG)

Die Fuxtec GmbH meldete im Jahr 2016 das unten links dargestellte Zeichen beim EUIPO als Unionsbildmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 7, 8, 12 und 35 an, darunter Industrieöle, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge und Einzelhandelsdienstleistungen. Hiergegen erhob die Societé Elmar Wolf Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer unten rechts dargestellten, prioritätsälteren französischen Bildmarke, ebenfalls geschützt in Klassen 7, 8 und 35. Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch zurück, wogegen die Widersprechende Beschwerde einlegte. Nachdem die Beschwerdekammer die Beschwerde als unbegründet zurückwies und das Ergebnis der Widerspruchsabteilung bestätigte, klagte die Widersprechende vor dem EuG.

Das EuG bestätigte nun ebenfalls das Fehlen einer Verwechslungsgefahr und ging, wie auch die Vorinstanzen, insoweit von einer Waren/Dienstleistungsidentität aus. Die beiden aus einem Tierkopf bestehenden Zeichen wiesen ähnliche Grundzüge auf, gleichwohl seien die beiden Tierkopf-Silhouetten deutlich anders stilisiert. Die ältere Marke ist detailreich, durch die Mund- und Augenform bedrohlich wirkend und werde vom Verkehr als Darstellung eines Wolf-, Hund- oder Fuchskopfes erfasst, während die jüngere durch ihren hohen Abstraktionsgrad keinen solchen Eindruck erwecke und beim Verkehr keine Vorstellung eines bestimmten Tieres hervorrufe. Die Beschwerdekammer sei deshalb zutreffend von einer allenfalls geringen bildlichen Zeichenähnlichkeit ausgegangen, weshalb auch keine begriffliche Zeichenähnlichkeit bestehe. Mangels Nachweises der Bekanntheit der Widerspruchsmarke war eine Verwechslungsgefahr insgesamt zu verneinen.
(EuG, Urt. v. 9.11.2022, T-596/21)

TMItierkopf

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Bösgläubigkeit der Markenanmeldung durch einen Vertriebspartner (BPatG)

Der BPatG-Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen drei Beteiligten zugrunde: Eine ukrainische Lebensmittelherstellerin belieferte zwischen 2013 und 2016 einen in Deutschland tätigen Lebensmittelhandel. Zum Frühjahr 2016 stellte die Herstellerin die Lieferung ein und schloss einen Exklusivliefervertrag mit der Monolith Unternehmensgruppe. Der Geschäftsführer dieser auf osteuropäische und russische Lebensmittel spezialisierten Gruppe meldete daraufhin das unten dargestellte kyrillische Zeichen (russisch für „großzügig, reichlich“), für diverse Lebensmittel der Klassen 29 und 30 an. Der zuvor belieferte Lebensmittelhändler stellte sodann gegen diese Marke einen Nichtigkeitsantrag wegen Bösgläubigkeit.

Das DPMA erklärte die Marke daraufhin für nichtig. Es liege nahe, dass die Anmeldung eine rechtsmissbräuchliche Behinderungsabsicht verfolge und bösgläubig erfolgt sei. Die ukrainische Herstellerin zeichne ihre Waren bereits seit 2013 mit der fraglichen Marke aus, was aufgrund der ihr zuzurechnenden inländischen Benutzungshandlungen eine prioritätsälteren Benutzungsmarke begründe, die durch die Anmeldung verletzt werde. Die vertragliche Beziehung zur Herstellerin führe auch offenkundig zur Kenntnis des älteren Besitzstandes. Die Anmeldung schränke die Herstellerin unlauter in ihrer Freiheit ein, den Vertriebspartner nach Belieben zu wechseln. 

Hiergegen richtete sich der Markeninhaber mit einer Beschwerde an das BPatG. Die Marke sei nach Abschluss eines Exklusivliefervertrages angemeldet worden, um während der Vertragslaufzeit nicht durch markenrechtliche Ansprüche Dritter beeinträchtigt zu werden. Er bezwecke nicht, die Herstellerin nach Vertragsbeendigung im Vertrieb zu stören, sondern seine eigene Vertragsstellung in Absprache mit der Herstellerin abzusichern. Mangels Nachweises über eine Verkehrsgeltung lägen die Voraussetzungen zur Annahme einer Benutzungsmarke nicht vor. Schließlich genüge die bloße Kenntnis einer Vorbenutzung zur Annahme einer Bösgläubigkeit nicht aus.

Das BPatG gab der Beschwerde statt, da im Anmeldezeitpunkt keine Bösgläubigkeit vorgelegen habe. Eine Anmeldung sei nicht aufgrund bloßer Kenntnis einer (intensiven) Benutzung eines formell nicht geschützten identischen Zeichens für identische Waren bzw. Dienstleistungen unlauter. Vielmehr müsse der Anmelder die Marke in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes anmelden, um den Vorbenutzer damit in seinem Besitzstand zu stören. Während der bloße eigene Benutzungswille zwar nicht per se zum Ausschluss einer Bösgläubigkeit reiche, liege jedenfalls dann keine Bösgläubigkeit, vor, wenn (wie hier)  die Förderung der eigenen Wettbewerbssituation im Vordergrund stehe.

Der Anmelder habe ein eigenes legitimes Interesse an der Benutzung der angegriffenen Marke gehabt, das sich aus dem Liefervertrag mit der Herstellerin ergebe. Eine etwaige Kenntnis über vorangehende Geschäftsbeziehungen der Herstellerin sei irrelevant.

Die DPMA-Entscheidung sei mithin aufzuheben.
(BPatG, Beschl. v. 19.8.2022, 25 W (pat) 29/20)

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Unterscheidungskraft des Zeichens "MARKT-PILOT" (EUIPO BoA)

Die MARKT-PILOT GmbH meldete im Jahr 2021 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Marke das Zeichen „MARKT-PILOT“ beim EUIPO für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 42 an, darunter Software, mobile Apps, verschiedene Einzel- und Großhandelsdienstleistungen und Softwareentwicklung. Die Anmeldung wurde für sämtliche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, wogegen die Anmelderin Beschwerde einlegte. 

Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen fehle es dem Zeichen an Unterscheidungskraft. Der Wortbestandteil „MARKT“ werde vom Verkehr als „Wirtschaftsraum“, der Bestandteil „PILOT“ in seiner Kombination mit einem Substantiv als auf dieses bezogener Test verstanden. Weshalb Spezialisten der IT und des Marketing als maßgebliche Verkehrskreise bei dem Begriff „Pilot“ an Flugzeugführer denken, wie von der Anmelderin geltend gemacht, bleibe unklar. Ein solcher Zusammenhang sei jedenfalls nicht ersichtlich. Wie von Amt zuvor korrekt erkannt, werde das Zeichen mithin als „Pilot(projekt) am Markt“ verstanden. Selbst wenn man jedoch der Argumentation der Anmelderin folgte, sei das Zeichen beschreibend. 

Die im Zusammenhang mit sogenanntem Data-Mining stehenden beanspruchten Waren und Dienstleistungen hätten den Zweck, Händlern am Markt Hinweise darüber zu liefern, mit welcher Marketingstrategie und Preisgestaltung sie am Markt den größten Erfolg haben würden. Unter Zugrundelegung eines Zeichenverständnisses im Sinne von „Pilot(projekt) am Markt“ sei das Zeichen ein Hinweis auf eine Einsatzmöglichkeit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einer frühen Phase einer Produkteinführung auf dem Markt. Im Sinne von „Marktführer“ beschreibe das Zeichen den Umstand, dass der Nutzer auf dem unübersichtlichen Markt geführt werde. In beiden Fällen sei das Zeichen ein ausschließlich beschreibender unmittelbarer Hinweis auf den Zweck der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 7.11.2022, R 672/2022-2)

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Unterscheidungskraft einer einen Hemdkragen darstellenden 3D-Marke (BPatG)

Eine deutsche Privatperson meldete im Jahr 2018 das unten dargestellte Zeichen beim DPMA als 3D-Marke für Waren der Klassen 16, 25 und 28 an, darunter Schnittmuster, verschiedenste Bekleidungsstücke und Bekleidung für Puppen und Spielzeug. Der Anmeldung beigefügt war folgende Beschreibung: „Dreidimensionale Marke: Oberbekleidung mit Kragen, der einen Stehkragen als Kragensteg und einen in Form eines daran angesetzten, abstehenden Ringscheibensegmentes ausgebildeten Ober- und Unterkragen besitzt.

Das DPMA wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück. Die angemeldete Kragenlösung mute zwar auffällig an, allerdings reiche ihre Eigenart und Originalität angesichts der Formenvielfalt im Bekleidungssektor nicht aus, um gegenüber dem Verkehr als Herkunftshinweis zu fungieren. Hierfür bedürfe es einer erheblichen Abweichung von der Gestaltungsvielfalt, die in dem Anmeldezeichen nicht zu erkennen sei.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Anmelderin blieb ohne Erfolg. Grundsätzlich gälten für dreidimensionale Marken die üblichen Anforderungen hinsichtlich der Unterscheidungskraft. Aus der Form der beanspruchten Ware selbst bestehende 3D-Marken nehme der Verkehr allerdings nicht in gleicher Weise wahr, wie eine Wort- oder Bildmarke, sondern als funktionelle oder ästhetische Gestaltung. Es werde in erster Linie die Ware selbst, nicht aber ihre betriebliche Herkunft identifiziert. Vor diesem Hintergrund komme solchen Marken lediglich dann Unterscheidungskraft zu, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abwichen, um aufgrund dieser Normabweichung vom Verkehr als Herkunftshinweis erkannt zu werden.

Diese Anforderungen erfülle das Anmeldezeichen nicht. Der dargestellte Kragensteg werde von der Anmelderin selbst als übliche Gestaltung bezeichnet. Das Ringscheibensegment sei zwar kreativ und ansprechend gestaltet, stelle aber weder in Alleinstellung, noch in Kombination mit dem Kragensteg eine solche Normabweichung dar, der eine herkunftshinweisende Funktion zukomme. Das Vorbringen der Anmelderin, dass lediglich 14 typische Kragenformen existierten verfange angesichts der enormen – auch von der Markenstelle ermittelten – Vielzahl verschiedener, jährlich neuer Kragenformen auf dem Markt nicht. Das Anmeldezeichen sei insgesamt nicht geeignet, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden, sodass die Beschwerde zurückzuweisen sei.
(BPatG, Beschl. v. 14.9.2022, 29 W (pat) 531/21)

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Erschöpfung von Markenrechten beim reboxing und relabelling im Parallelimport (EuGH)

Auf Vorlage des LG Hamburg urteilte der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren betreffend die Erschöpfung von Markenrechten. Dem Verfahren liegt ein Rechtsstreit zwischen der Bayer Intellectual Property GmbH als Inhaberin der deutschen Marke „Androcur“ und der kohlpharma GmbH wegen des Vertriebs von aus den Niederlanden durch kohlpharma nach Deutschland parallelimportierten Arzneimitteln der Marke „Androcur“ zugrunde.  

Im Folgenden meint der Begriff relabelling die Anbringung zusätzlicher Etiketten auf der originalen äußerem Umverpackung, durch die den gesetzlichen Anforderungen des Einfuhrmitgliedstaates entsprochen wird. Ein Reboxing hingegen meint die Verwendung einer gänzlich neuen äußeren Umverpackung. 

Die kohlpharma GmbH ist ein auf den Parallelimport von Arzneimitteln spezialisiertes Unternehmen. Anfang 2019 kündigte kohlpharma gegenüber Bayer an, das Arzneimittel „Androcur“ mit der Packungsgröße 50 Tabletten aus den Niederlanden nach Deutschland zu importieren, um es hier u.a. in einer Packungsgröße mit 100 Tabletten zu vertreiben. Hierzu sei ein reboxing erforderlich, worüber kohlpharma Bayer informierte.

Dem widersetzte sich Bayer: Die Verwendung einer neuen Umverpackung gehe über das hinaus, was für das Inverkehrbringen des Arzneimittels in Deutschland erforderlich sei. Kohlpharma müsse sich daher mit dem relabelling der originalen Umverpackung begnügen. 

Kohlpharma hielt dagegen, dass beim Verpackungsvorgang durch Verpackung von 100 Tabletten in die 50er Verpackungsgröße Manipulationsspuren an der originalen Umverpackung entstünden. Der Verkehr würde dies bemerken und die betreffende Ware ablehnen, sodass der Marktzugang beeinträchtigt wäre. Dies mache ein reboxing erforderlich.  

Die Vorlagefragen des LG Hamburg: 
Das LG Hamburg legte dem EuGH sinngemäß folgende Fragen zur Vorentscheidung vor: 

1.     Handelt es sich beim relabelling und reboxing parallelimportierter Produkte um gleichwertige Maßnahmen, wenn sie gleichermaßen geeignet sind, Echtheit und Identität der Arzneimittel nachzuweisen und einen Manipulationsnachweis zu ermöglichen? 

2.     Stellt das relabelling gegenüber dem reboxing aus Sicht des Markeninhabers grundsätzlich ein milderes Mittel dar, sodass er sich letzterem widersetzen kann?

3.     Kann sich der Markeninhaber dem Vertrieb einer parallelimportierten Ware in einer neuen Umverpackung widersetzen, wenn anderenfalls, nämlich bei Verwendung der originalen Umverpackung an dieser zwangsläufig Beschädigungen entstünden, die auch erkennbar durch den Parallelimporteur verursacht wurden?

Die Entscheidung des EuGH: 
Parallelimporte sind nach ständiger Rechtsprechung nur unter den Voraussetzungen zulässig, dass (1.) die Geltendmachung der Markenrechte zu einer Marktabschottung beitragen würde, (2.) der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware unberührt bleibt, (3.) Parallelimporteur und Hersteller auf der Verpackung ersichtlich sind, (4.) die Verpackungsaufmachung für Markeninhaber keine Rufschädigung bedeutet und (5.) der Parallelimporteur den Markeninhaber vor Inverkehrbringen unterrichtet.

Der EuGH hatte vor diesem Hintergrund zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen sich der Markeninhaber einem sog. relabelling bzw. reboxing widersetzen kann. Dies betrifft im Kern die Frage, ob der Markeninhaber legitime Interessen vertritt oder eine künstliche Marktabschottung bezweckt. Übergeordnet sei die wachsende Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch gefälschte Arzneimittel zu berücksichtigen. Der Verkehr müsse die Echtheit von Arzneimitteln anhand von Sicherheitsmerkmalen prüfen können.

Antwort auf Frage 1: 
Zunächst folge aus der Richtlinie, dass der Unionsgesetzgeber die erneute Verwendung der originalen Umverpackung nicht verhindern wolle, sofern die ursprünglichen Sicherheitsmerkmale durch gleichwertige Sicherheitsmerkmale ersetzt werden. Unter dieser Voraussetzung seien das relabelling und das reboxing hinsichtlich der Einhaltung sicherheitstechnischer Garantien in ihrer Geeignetheit gleichwertig. 

Antwort auf Frage 2: 
Der Markeninhaber könne das relabelling bzw. das reboxing nur dann verhindern, wenn dadurch die Funktionen der Marke beeinträchtigt werden. Wenn die Ausübung der Markenrechte dagegen nur zum Zwecke einer künstlichen Marktabschottung erfolge, sei sie unzulässig.  

Zu einer Marktabschottung trage es bei, wenn sich der Markeninhaber einem für den Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaates erforderlichen relabelling/reboxing widersetzt. Erforderlich sei es dann, wenn die Waren im Einfuhrstaat nicht in der Verpackung des Ausfuhrmitgliedstaates vertrieben werden dürfen.   

Aufgrund der höheren Eingriffsintensität sei in der Erforderlichkeit der beiden Maßnahmen ein Stufenverhältnis zu erkennen und der Markeninhaber könne sich dem reboxing nur dann widersetzen, wenn ein relabelling des Arzneimittels unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben objektiv möglich sei und das so etikettierte Arzneimittel tatsächlich Zugang zum Einfuhrmarkt erlangen könne.  

Antwort auf Frage 3: 
Jeder in der Lieferkette - auch der Parallelimporteur - habe vor Entfernung oder Überdeckung eines Sicherheitsmerkmals zu prüfen, ob das Arzneimittel echt und nicht manipuliert worden ist. Eine Ersatzvorrichtung gegen Manipulation müsse daher für diese Überprüfung geeignet sein.

Der Markeninhaber könne sich einem reboxing jedenfalls dann nicht widersetzen, wenn dies erforderlich ist, um das parallelimportierte Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat zu vermarkten. So etwa, wenn die Sicherheitsvorrichtung gegen Manipulation an der äußeren Umverpackung objektiv nicht gleichwertig ersetzt werden kann.

Ist mit Sicherheit feststellbar, dass die Spuren nicht auf eine Manipulation des Arzneimittels zurückzuführen sind, sondern auf andere Umstände – hier das relabelling – ist auch eine vom Parallelimporteur angebrachte Ersatzvorrichtung gegen Manipulation gleichwertig zu der Originalvorrichtung. Gegenteiliges widerspräche dem dargestellten Stufenverhältnis hinsichtlich der Erforderlichkeit der beiden Maßnahmen, da mit dem relabelling stets Öffnungsspuren an der originalen Umverpackung einhergingen.

Bei Zweifeln über die Herkunft der Öffnungsspuren könne sich der Markeninhaber dem reboxing nicht widersetzen, da anderenfalls nicht sichergestellt wäre, dass keine Eingriffe Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers vorgenommen worden sind.  

Dem reboxing eines parallelimportierten Arzneimittels könne sich der Markeninhaber somit grundsätzlich auch dann widersetzen, wenn die originale Umverpackung im Zuge des relabelling sichtbare und auf den Parallelimporteur zurückführbare Öffnungsspuren zeige. Wenn diese allerdings so beschaffen sind, dass sie ein tatsächliches Hindernis zum Marktzugang darstellen, kann sich der Markeninhaber dem reboxing nicht widersetzen.   
(EuGH, Urt. v. 17.11.2022, C-204/20)

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Unterscheidungskraft des Zeichens „O’dampft is!“ (BPatG)

Die Pure Vape GbR meldete im Jahr 2019 das Zeichen „o’dampft is!“ als Wortmarke beim DPMA für BekleidungsstückeElektronische Zigaretten und Veranstaltung und Durchführung von Fachmessen in den Klassen 25, 34 und 35 an. Das DPMA wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurück. Hiergegen legte die Anmelderin Beschwerde ein.

Das BPatG entschied nun, dass die Zurückweisung zu Recht erfolgt sei, da es dem Zeichen tatsächlich bereits im Anmeldezeitpunkt an Unterscheidungskraft gefehlt habe. Die in bayerischem Dialekt gehaltene Wortfolge werde vom Verkehr als „Es ist angedampft!“ oder „Angedampft ist!“ und somit als Motto- oder „Fun-Spruch“ und bloße werbemäßige Aufforderung zum Erwerb und Konsum der so gekennzeichneten E-Zigaretten erkannt. Die Fähigkeiten des Durchschnittsverkehrs, mundartliche Ausdrücke zu verstehen, seien insofern nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus sei der Begriff „Dampfen“ bereits – wie umfangreich belegt – vor dem Anmeldezeitpunkt als Synonym für den Konsum von E-Zigaretten benutzt worden.

Indem es sich offenkundig an die bekannte Wortfolge zur Eröffnung des Oktoberfestes „o‘zapft is!“ anlehne, werde das Zeichen auch für die Eröffnung und Durchführung von Fachmessen verstanden. Aus dieser Anlehnung ergehe auch keine besondere Originalität des Gesamtzeichens, wie zahlreiche ähnlich aufgebaute Werbeaussagen verschiedener Branchen zeigten. Das Zeichen werde vom Verkehr vielmehr als „Fun-Spruch“ verstanden, der keine Unterscheidungskraft besitze. Dies gelte insbesondere für die beanspruchten Bekleidungsstücke, die vom Verkehr regelmäßig als Kommunikationsträger erkannt werden.

Aufgrund des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft könne das Vorliegen eines Freihaltebedürfnisses für die beanspruchten Waren dahinstehen. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der bislang höchstgerichtlich ungeklärten Rechtsfrage der Unterscheidungskraft eines Fun- oder Mottospruches, ließ das BPatG die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.
(BPatG, Beschl. v. 26.9.2022, 26 W (pat) 572/20)

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Unterscheidungskraft des Zeichens „FOIE ROYALE“ (BPatG)

Die GMT GmbH meldete im Jahr 2019 das Zeichen „FOIE ROYALE“ beim DPMA als Wortmarke für  Fleisch, Nahrungsmittel aus oder mit Bestandteilen aus Geflügelprodukten, insbesondere Gänse und Enten, Speiseöle, Speisefette, Suppen, Brühen und Fleischextrakte in Klasse 29 an. Die Markenstelle wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück. Die Wörter „FOIE“ und „ROYALE“ seien gängige Begriffe der französischen Sprache und wiesen sinngemäß auf „(Stopf-)Leber königlicher Art“ hin. Das Gesamtzeichen gehe somit in seiner Bedeutung nicht über die Bedeutung der einzelnen Bestandteile hinaus und sei für die Beschaffenheit bzw. Bestimmung der beanspruchten Waren ein beschreibender Hinweis darauf, dass diese Leber enthielten oder für die Herstellung einer Leber nach königlicher Art bestimmt seien.

Hiergegen legte die Anmelderin Beschwerde ein, der das BPatG nun stattgab. Das Zeichen sei für die beanspruchten Waren sehr wohl unterscheidungskräftig. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Verkehr das französische Begriffspaar korrekt als „königliche Leber“ übersetze, ordne er dem Zeichen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zu. Es könne beim Verkehr zwar der Eindruck einer für Königinnen und Könige angemessenen Qualität der so bezeichneten Waren entstehen, allerdings werde ein solcher lediglich indirekt vermittelt und wirke nicht wie eine reine Werbebotschaft für die beanspruchten Waren.

Vorliegend bleibe unklar, auf welches Qualitätsmerkmal sich die Anspielung „königlich“ beziehen könne. Trotz regelmäßiger Bezeichnung verschiedener Produkte mit dem Begriff „Royal“ bzw. „Royale“ lasse sich diesem keine konkrete Bedeutung oder ein Hinweis auf eine bestimmte Zutat entnehmen. Der Begriff wecke allenfalls vage Erwartungen hinsichtlich einer „königlichen“ Leber. Das Anmeldezeichen sei nicht beschreibend, sondern unterscheidungskräftig.
(BPatG, Beschl. v. 20.10.2022, 30 W (pat) 564/20)

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Unterscheidungskraft der Zeichen "WE ARE PLASTICS" und "WIR SIND KUNSTSTOFF" (EUIPO BoA)

Der GKV Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. meldete im Jahr 2022 die unten dargestellten Zeichen „WE ARE PLASTICS“ und „WIR SIND KUNSTSTOFF“ beim EUIPO als Unionsmarke für verschiedene im Zusammenhang mit Kunststoff stehende Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 17 und 40 an. Das Amt wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück, wogegen die Anmelden Beschwerde einlegte. 

Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Anmeldezeichen besäßen für die jeweils beanspruchten Waren keine Unterscheidungskraft. Die Zeichen würden vom englisch- bzw. deutschsprachigen Verkehr ohne weiteres als Hinweis auf ein Unternehmen verstanden, das einen Bezug zu Kunststoffen hat. Sie brächten weiter eine abstrakte Unternehmensphilosophie zum Ausdruck. Die starke Verkürzung von Aussagen sei im Alltag üblich geworden, sodass der Verkehr das Zeichen als einen werbeartigen Slogan für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffasse. Das Vorbringen der Anmelderin, dass dies womöglich für die beanspruchten Kunststoffwaren gelte, nicht allerdings für die aus Pappe, Papier und Harzen bestehenden Waren gelte, vermochte nicht zu überzeugen. Grafische Elemente und Farben müssten eine hinreichende Wirkung auf die Marke in ihrer Gesamtheit haben, um eine Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens zu begründen. Das bloße Hinzufügen dreier Farben zu einem beschreibenden Wortelement erfüllte diese Anforderung nicht. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 3.11.2022, R 1850/2022-5)

TMI14

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