Kein Beschäftigungsanspruch für Mitarbeitende im Gesundheitswesen ohne Impf- und Genesenennachweis

Das Arbeitsgericht Gießen hatte sich in zwei Fällen (5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22) mit der Frage zu beschäftigen, ob Mitarbeitende eines Seniorenheims ohne Impf- und Genesenennachweis auch ohne behördliches Beschäftigungsverbots freigestellt werden durften. Das Gericht bejahte diese Frage und lehnte die auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügungen ab.

Sachverhalt

Zwei Mitarbeitende eines Seniorenheims, die bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigt waren, legten keine Impf- oder Genesenennachweise vor. Daraufhin wurden sie mit Wirkung ab 16. März 2022 von der Arbeitsleistung freigestellt und die Zahlung der Vergütung wurde eingestellt. Die Freistellungen erfolgten, obwohl das Gesundheitsamt noch keine Beschäftigungsverbote verhängt hatte, um die Bewohner*innen des Seniorenheims und die anderen Mitarbeitenden zu schützen. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens begehrten die freigestellten Mitarbeitenden ihre Beschäftigung.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Gießen wies die Anträge auf Erlass entsprechender einstweiliger Verfügungen zurück. Ein unmittelbares Beschäftigungsverbot ergibt sich aus dem Gesetz nur für ab dem 16. März 2022 neu eingestellte Mitarbeitende, die keine Impf- oder Genesenennachweise vorlegen (§ 20a Abs. 3 S. 4 IfSG). Für Mitarbeitende, die bereits vor dem 16. März 2022 tätig waren, besteht ein Beschäftigungsverbot erst dann, wenn es durch das zuständige Gesundheitsamt verhängt wird (§ 20a Abs. 5 S. 3 IfSG).

Das Gericht kam gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die Freistellungen nichts rechtswidrig sind. Der Arbeitgeberin stehe unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20a IfSG im Rahmen billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohner*innen des Seniorenheims Mitarbeitende von der Arbeitsleistung freizustellen, die weder geimpft noch genesen sind und der Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nicht nachkommen. Gegenüber dem Interesse der betroffenen Mitarbeitenden an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiege insofern das Interesse der Bewohner*innen an deren Gesundheitsschutz.

Fazit

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Die Unternehmen im Gesundheitsbereich treffen besondere Verpflichtungen im Hinblick auf den Schutz der betreuten Patient*innen. Sie müssen daher die Möglichkeit haben, Mitarbeitende freizustellen, die infolge fehlender Impfung und Genesung ein höheres Risiko darstellen. Dies gilt umso mehr, als die Gesundheitsämter völlig überlastet sind und mit der Verhängung von Beschäftigungsverboten gegenüber Mitarbeitenden, die keine Impf- und Genesenennachweise vorlegen, nicht nachkommen. Weiterhin ungeklärt ist die Frage, ob die Vergütungszahlung auch dann eingestellt werden kann, wenn ohne Verhängung eines konkreten Beschäftigungsverbots Mitarbeitende ohne entsprechende Immunitätsnachweise freigestellt werden.

Weitere Informationen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in FAQ zusammengestellt. Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die seit dem 16. März 2022 gilt, nicht nur Mitarbeitende entsprechender Einrichtungen und Unternehmen, sondern sämtliche Personen erfasst, die in solchen Einrichtungen und Unternehmen tätig sind. Damit gilt die Regelung auch für Mitarbeitende von Pharma- und Medizintechnikunternehmen, die sich in entsprechenden Einrichtungen bzw. Unternehmen aufhalten (z.B. Pharmareferent*innen, Medizinprodukteberater*innen, Mitarbeitende für klinische Studien und Dozent*innen sowie Installateur*innen, Monteur*innen, Techniker*innen von medizinischem Equipment).

 

Verfasst von Dr. Lars Mohnke.

 

 

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